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Frei verwendbares Eigenkapital – Warum du wissen solltest, was das ist!

Alain Friedrich
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Alain Friedrich
19.1.2023

Will sich eine GmbH in eine AG umwandeln und möchten die Gesellschafter keine zusätzlichen Mittel einschiessen, ist eine Umwandlung in der Regel nur bei Vorhandensein von frei verwendbarem Eigenkapital möglich. Aber auch bei der nachträglichen Liberierung von Aktien, der Ausgabe von Gratisaktien oder Stammanteilen, beim Erwerb eigener Aktien oder bei Fusionen mit Gesellschaften mit Kapitalverlust stellt sich immer wieder die Frage nach dem frei verwendbaren Eigenkapital.
Aber was ist eigentlich frei verwendbares Eigenkapital?

Was ist Eigenkapital?

Das Eigenkapital einer Gesellschaft entspricht der Differenz zwischen deren Aktiven und dem Fremdkapital. Das Eigenkapital ist also eine sich stetig verändernde Grösse.

In der Bilanz setzt sich das Eigenkapital gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht aus folgenden Positionen zusammen (vgl. Art. 959a OR):

  • Festes Grundkapital ( = kumulierter Nennwert der ausgegebenen Anteile) [z.B. das Aktienkapital und das Partizipationskapital].
  • Reserven, bestehend aus gesetzlichen Kapitalreserven sowie den gesetzlichen und freiwilligenGewinnreserven. Die gesetzlichen Gewinnreserven bestehen aus den gesetzlichen Gewinnreserven im engeren Sinne nach Art. 672 OR, der Aufwertungsreserve nach Art. 725c OR und der Reserve für eigene Aktien nach Art. 659b Abs. 2 OR.

Weiter gehören zum Eigenkapital der Gewinn- oder Verlustvortrag aus den Vorjahren sowie der laufende Jahresgewinn oder -verlust. Auch allenfalls gehaltene eigene Kapitalanteile gehören zum Eigenkapital. Diese werden – wie ein Verlustvortrag oder ein Jahresverlust – als Minusposten geführt.

Um über frei verwendbares Eigenkapital zu verfügen, muss die Gesellschaft zwingend positives Eigenkapital aufweisen. Ist das Eigenkapital negativ, d.h. ist das Fremdkapital grösser als die Aktiven, ist die Gesellschaft überschuldet. Es kommen die Regeln gemäss Art. 725b OR zur Anwendung.

Ist das Eigenkapital geringer als 50% des geschützten Eigenkapitals (=Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve), liegt ein Kapitalverlust vor. Diesfalls kommen die Regeln gemäss Art. 725a OR zu Anwendung.

Was ist der geschützte Teil des Eigenkapitals?

Das geschützte Eigenkapital ist derjenige Teil des gesamten Eigenkapitals, welcher nicht ausgeschüttet werden darf. Der geschützte Teil setzt sich aus dem (i) nominellen Aktien- und dem allenfalls vorhandenen Partizipationskapital, (ii) den gesetzlichen Kapitalreserven (Art. 671 Abs. 1 OR) und den gesetzlichen Gewinnreserven im engeren Sinn (Art. 672 Abs. 1 OR) im Betrag von zusammen maximal 50% (bei Holdinggesellschaften 20%) des im Handelsregister eingetragenen Aktien- und Partizipationskapitals sowie (iii) aus den gesetzlichen Reserven für eigene Kapitalanteile im Konzern (Art. 659b Abs. 2 OR) und aus Aufwertungen (Art. 725c Abs. 1 OR) zusammen.

Zusammenfassend gilt für das geschützte Kapital was folgt:

Holdinggesellschaften sind Unternehmen, deren Aktiven mehrheitlich aus Beteiligungen und anderen Finanzanlagen bestehen oder Unternehmen, die ihre Holdingfunktion nicht hauptsächlich durch das Halten von Beteiligungen, sondern zusätzlich durch die Gewährung von Darlehen erfüllen.

Kennt man das Eigenkapital und den geschützten Teil des Eigenkapitals, kann das frei verwendbare Eigenkapital berechnet werden.

Wie berechnet man den frei verwendbaren Teil des Eigenkapitals?

Verfügt eine Gesellschaft über positives Eigenkapital, welches das geschützte Eigenkapital übersteigt, gilt der überschiessende Betrag grundsätzlich als frei verwendbares Eigenkapital. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht dem Drittvergleich entsprechende konzerninterne Upstream- und Crossstream-Darlehen das frei verwendbare Eigenkapital allenfalls noch reduzieren.

Hier drei Beispiele zur Berechnung des frei verwendbaren Eigenkapitals und der Bezugsgrösse für den Kapitalverlust nach Art. 725a OR:

Weshalb ist des frei verwendbare Eigenkapital von Bedeutung?

Das frei verwendbare Eigenkapital ist insbesondere in folgenden Fällen von Bedeutung:

  • Umwandlung GmbH in AG: Bei einer Umwandlung einer GmbH in eine AG muss die GmbH vor der eigentlichen Umwandlung das Grundkapital erhöhen. Diese Erhöhung kann u.a. entweder durch eine zusätzliche Einlage der Gesellschafter oder durch Umwandlung von frei verwendbarem Eigenkapital (durch Ausgabe von Gratisstammanteilen) erfolgen (Art. 781 Abs. 5 Ziff. 3 i.V.m. Art. 650 Abs. 1 Ziff. 6 i.V.m. Art. 652d OR).
  • Ausgabe von Gratisaktien: Werden im Rahmen einer Kapitalerhöhungen sog. Gratisaktien ausgegeben, ist dies nur zu Lasten von frei verwendbarem Eigenkapital möglich (Art. 650 Abs. 1 Ziff. 6 i.V.m. Art. 652d OR)
  • Nachliberierung von teilliberierten Aktien: Sollten bestehende (teilliberierte) Aktien nachliberiert werden, müssen die bestehenden Aktionäre den Nennwert leisten oder es kann frei verwendbares Eigenkapital umgewandelt werden (Art. 634b Abs. 2 OR)
  • Erwerb von eigenen Aktien: Der entgeltliche Erwerb von eigenen Aktien ist nur zulässig, wenn frei verwendbares Eigenkapital vorhanden ist (Art. 659 OR).
  • Sanierungsfusionen: Bei einer Sanierungsfusion muss die übernehmende Gesellschaft über frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe der Unterdeckung verfügen. Nur dann ist eine entsprechenden Fusion zulässig (Art. 6 FusG).
Will sich eine GmbH in eine AG umwandeln und möchten die Gesellschafter keine zusätzlichen Mittel einschiessen, ist eine Umwandlung in der Regel nur bei Vorhandensein von frei verwendbarem Eigenkapital möglich. Aber auch bei der nachträglichen Liberierung von Aktien, der Ausgabe von Gratisaktien oder Stammanteilen, beim Erwerb eigener Aktien oder bei Fusionen mit Gesellschaften mit Kapitalverlust stellt sich immer wieder die Frage nach dem frei verwendbaren Eigenkapital. Aber was ist eigentlich frei verwendbares Eigenkapital?