Die Vertretung eines Unternehmens gegenüber Dritten ist ein zentraler Bestandteil des Geschäftsalltags. Insbesondere in Unternehmen mit Angestellten ist es für Inhaber oft nicht möglich oder sinnvoll, alle rechtlichen Geschäfte wie Vertragsabschlüsse oder -Kündigungen sowie die Kommunikation mit Behörden selbst zu erledigen. Deshalb ist es notwendig, dass bestimmte Personen befugt sind, im Namen des Unternehmens zu handeln.
Wer darf ein Unternehmen vertreten?
1. Gesetzliche Vertretung durch Gesellschaftsorgane
In der Regel wird ein Unternehmen durch seine Organe vertreten – bei einer Aktiengesellschaft (AG) durch den Verwaltungsrat und bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) durch die Geschäftsführung. Diese gesetzlichen Vertreter sind kraft Gesetzes befugt, das Unternehmen nach aussen zu repräsentieren und Rechtsgeschäfte für das Unternehmen abzuschliessen:
- Bei einer AG ist jedes Verwaltungsratsmitglied grundsätzlich einzeln zur Vertretung berechtigt, sofern nicht eine Kollektivunterschrift von zwei Mitgliedern in den Statuten festgelegt wurde. Wichtig ist, dass mindestens ein allein zeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied in der Schweiz wohnhaft sein muss, um die Vertretung der AG jederzeit sicherzustellen.
- Bei einer GmbH ist jeder Geschäftsführer von Gesetzes wegen vertretungsberechtigt (sog. Selbstorganschaft). Die Gesellschafter können aber in ihren Statuten die Selbstorganschaft ausschliessen und vorsehen, dass die Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung gewählt werden und mithin nur die gewählten Geschäftsführer die GmbH gültig vertreten können.
Entsprechend ist ein Blick in die Statuten oder in ein allfälliges Organisationsreglement (siehe unten) besonders wichtig. Aus dem aktuellen Handelsregisterauszug oder dem Organisationsreglement wird erst vollumfänglich ersichtlich, welche gesetzlich vorgesehenen Vertreter das Unternehmen auch tatsächlich vertreten dürfen.
2. Rechtsgeschäftliche Vertretung – mehr Flexibilität durch Vollmachten
Neben der gesetzlichen Vertretung durch Organe besteht in der Praxis oft das Bedürfnis, auch anderen Mitarbeitenden eine Vertretungsmacht zu erteilen. Diesem Bedürfnis kann mittels Vollmachten nachgekommen werden. Durch eine Vollmacht kann die Vertretungsmacht flexibel an eine bestimmte Person vergeben werden. Es werden die folgenden Arten von Vollmachten unterschieden:
- Spezialvollmacht: nur für bestimmte Geschäfte.
- Gattungsvollmacht: für eine bestimmte Art von Geschäften.
- Generalvollmacht: für sämtliche Angelegenheiten des Unternehmens.
Wichtig zu wissen ist, dass Vollmachten von den zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen, wie einem Arbeitsvertrag, unabhängig sind. Das heisst, die Vollmachten bleiben so lange gültig, bis sie widerrufen werden. Wird das Arbeitsverhältnis zu einem Mitarbeitenden gekündigt, muss daran gedacht werden, die Vollmachten aktiv zu widerrufen, um deren Weiterverwendung und einen allfälligen Missbrauch vorzubeugen.
Bevollmächtigungen können sodann auch im Handelsregister eingetragen werden. Die Begriffe «Prokura» und «Handlungsvollmacht» werden wohl vielen bekannt sein:
Prokura:
- Eine gültige Prokura setzt die Eintragung im Handelsregister voraus.
- Ein Prokurist kann alle mit dem Zweck der Gesellschaft umfassten Geschäfte – ausser die Veräusserung oder Belastung von Grundstücken – selbständig vornehmen.
- Die Löschung einer Prokura muss beim Handelsregister angemeldet werden. Dies führt zu einem administrativen Aufwand und Handelsregistergebühren.
Handlungsvollmacht:
- Eine erteilte Handlungsvollmacht ist auch ohne Eintragung im Handelsregister gültig. Eine Eintragung ins Handelsregister kann freiwillig erfolgen.
- Der Widerruf einer Handlungsvollmacht, die im Handelsregister nicht eingetragen wurde, kann ohne besonderen administrativen Aufwand und ohne Kosten erfolgen. Es empfiehlt sich jedoch, den Widerruf der Handlungsvollmacht schriftlich festzuhalten.
Ist eine vertretungsberechtigte Person im Handelsregister eingetragen ist auch die entsprechende Zeichnungsberechtigung vermerkt, d.h. ob die entsprechende Person Einzelunterschrift oder Kollektivunterschrift zu zweien besitzt. Die Eintragung einer vertretungsberechtigten Person im Handelsregister hat im Geschäftsverkehr zum Vorteil, dass ein Dritter nicht dagegen einwenden kann, er habe die Vertretungsberechtigung nicht gekannt.
3. Speziell: Anscheinsvollmacht – Vertrauensschutz im Geschäftsverkehr
In vielen Unternehmen kommt es vor, dass Mitarbeitende, die keine formale Vollmacht haben, dennoch im Namen des Unternehmens handeln. Häufig ist dieses Handeln rechtlich durch das Prinzip der Anscheinsvollmacht gedeckt. Schliesst ein Mitarbeitender wiederholt mit einer Firma über die Geschäfts-E-Mail-Adresse oder die Geschäftstelefonnummer Verträge ab und duldet das Unternehmen dieses Handeln (z.B. indem das Unternehmen die Ware annimmt und die Rechnungen bezahlt), darf ein Dritter darauf vertrauen, dass dieser Mitarbeitende auch zu diesem Handeln befugt ist. Der Dritte ist diesfalls nicht dazu gehalten, jedes Mal nachzuprüfen, ob der Unterzeichner bzw. Besteller zur Unterschrift bzw. Bestellung berechtigt ist.
Ein Vertrag zwischen dem Unternehmen und z.B. einem Lieferanten kommt also gleich zustande, wie wenn ein zeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied den entsprechenden Vertrag unterzeichnet hätte. Was in der Praxis den Geschäftsalltag einerseits massiv erleichtert, kann andererseits auch dazu führen, dass Unternehmen ungewollt an Verträge gebunden werden.
Wie minimierst du damit einhergehende Risiken?
1. Interne Organisation zur Risikominimierung
Um sicherzustellen, dass das Unternehmen rechtssicher handelt, ist eine klare interne Organisation empfehlenswert. Dazu gehören:
- Organisationsreglement: Dieses legt fest, wer im Unternehmen welche Befugnisse besitzt, einschliesslich der Vertretungs- und Zeichnungsberechtigungen. Das Organisationsreglement dient auch dazu, klare Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten zu schaffen, was besonders in grösseren Unternehmen unerlässlich ist, um effiziente Abläufe und rechtliche Sicherheit zu gewähren. Mehr Infos zum Organisationsreglement findest du im Blogbeitrag von Alain Friedrich.
- Funktionendiagramm: Eine visuelle Darstellung der Zuständigkeiten im Unternehmen, die zeigt, wer wofür verantwortlich ist und wer das Unternehmen nach aussen vertreten darf. Ein gut strukturiertes Funktionendiagramm visualisiert nicht nur die internen Zuständigkeiten, sondern auch die Vertretungsbefugnisse und Entscheidungskompetenzen. Es dient als Orientierungshilfe für Mitarbeitende, welche oft einfacher verständlich ist wie ein mehrseitiges Reglement. Das Funktionendiagramm dient letztlich als Unterstützung, um interne Missverständnisse über die Zeichnungskompetenzen zu vermeiden.
- Unterschriftenregelung: Bestimmt, wer welche Dokumente im Namen des Unternehmens unterzeichnen darf. Hier wird zwischen Handlungsbevollmächtigten und Prokuristen unterschieden. Ein Handlungsbevollmächtigter hat eine beschränkte Vertretungsmacht und seine Vollmacht kann auf bestimmte Handlungen oder Geschäftsbereiche eingeschränkt werden. Eine Handlungsvollmacht kann je nach Organisation des Unternehmens formlos erteilt werden. Ein Prokurist hat hingegen eine sehr weitreichende Vertretungsmacht, die grundsätzlich alle Rechtshandlungen, die der Zweck eines Unternehmens mit sich bringt, umfasst. Die Erteilung einer Prokura muss zwingend im Handelsregister eingetragen werden, wobei die Eintragung der Handlungsbevollmächtigten im Handelsregister freiwillig ist.
2. Delegation der Erteilung von Zeichnungsberechtigungen
Ein häufiger Wunsch in Unternehmen ist die Erteilung der Zeichnungsberechtigungen an die Geschäftsleitung zu delegieren. Nach Art. 716a OR ist die Ernennung und Abberufung von Personen mit Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben eine unübertragbare Aufgabe des Verwaltungsrats. Jedoch kann die Erteilung von Zeichnungsberechtigungen für nicht direkt dem Verwaltungsrat unterstellte Personen an die Geschäftsleitung delegiert werden, sofern dies in den Statuten und dem Organisationsreglement vorgesehen ist.
3. Unternehmensinterne Massnahmen
Damit nicht unberechtigte Mitarbeitende Geschäfte mit Dritten abschliessen können, ist eine konsequente Umsetzung interner Kontrollmaßnahmen unerlässlich. Ein mögliches Mittel ist es, dass die Buchhaltung darauf sensibilisiert wird, Rechnungen vor deren Bezahlung zu prüfen, ob die zugrunde liegenden Verträge von autorisierten Personen unterzeichnet wurden.
Solche internen Regeln entfalten jedoch nur Wirkung, wenn sie klar kommuniziert und konsequent durchgesetzt werden. In der Praxis liegt der Fokus daher auf einer verständlichen Vermittlung der Vertretungsbefugnisse und einer effizienten Kontrolle, um unerwünschte Handlungen rechtzeitig zu verhindern.
Takeaways as an entrepreneur
- Die Vertretung eines Unternehmens muss gut organisiert und nach innen und aussen klar kommuniziert werden.
- Nützliche Instrumente dafür sind das Organisationsreglement, Funktionendiagramm und die Unterschriftenregelung im Handelsregister.
- Erteilte rechtsgeschäftliche Vollmachten sind nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktiv zu widerrufen.
- Ist ein Angestellter ohne Anweisung im Namen des Unternehmens mit einem Dritten ein unerwünschtes Vertragsverhältnis eingegangen, soll umgehend reagiert und die Situation gegenüber dem Dritten aufgeklärt werden. Ansonsten das Konstrukt der Anscheinsvollmacht greift.
- Die interne Kommunikation dieser Regeln und deren Durchsetzung ist zentral und soll unternehmensintern sichergestellt werden.