Die Gründung oder Finanzierung eines Startups ist nicht nur aufregend, sondern birgt auch zahlreiche Herausforderungen. Eine entscheidende Herausforderung ist dabei die Sicherstellung, dass Schlüsselpersonen – seien es Gründerinnen oder Mitarbeiter – dem Unternehmen langfristig erhalten bleiben und durch entsprechende Anreize motiviert werden.
Hierbei spielen Vesting-Vereinbarungen und Leaver-Klauseln eine zentrale Rolle.
Vesting-Vereinbarungen sind vertragliche Regelungen zwischen Aktionären, die gewährleisten sollen, dass die betroffenen Personen ihre Unternehmensanteile über einen definierten Zeitraum hinweg „abverdienen“. Dieser Mechanismus dient dazu, die betroffenen Personen dazu zu motivieren, dem Unternehmen treu zu bleiben und das Wachstum des Unternehmens nachhaltig zu fördern. Doch was geschieht, wenn jemand das Unternehmen vorzeitig verlässt?
An diesem Punkt kommen die Leaver-Klauseln ins Spiel. Sie regeln, was mit den Unternehmensanteilen einer Person geschieht, wenn diese das Unternehmen verlässt.
Nachfolgend brechen wir diese komplexen Themen in einfache Begriffe herunter. Wir sprechen über verschiedene Arten von Leaver-Klauseln – Good Leaver, Bad Leaver und (nicht oft verwendet) Middle Leaver – und erklären, warum Leaver-Klauseln wichtig sind.
Ob du nun ein Unternehmen gründest, in eines investierst oder einfach nur mehr über die gängigen Praktiken bei Vesting-Vereinbarungen erfahren möchtest, soll dieser Artikel dir dabei helfen, diese wichtigen Konzepte zu durchdringen und besser zu verstehen.
Vesting und Reverse-Vesting Vereinbarungen
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Arten von Vesting-Vereinbarungen:
- (Standard) Vesting-Vereinbarungen sind vertragliche Regelungen, welche die Bedingungen (sog. Vesting Schedule) festlegen, unter denen eine Person Optionen ausüben oder von virtuellen Unternehmensanteilen profitieren kann. Nachdem die Bedingungen im Vesting-Schedule erfüllt sind, erhält der Begünstigte bestimmte Rechte oder kann diese Rechte ausüben. Es kann beispielsweise vereinbart werden, dass jemand seine Rechte an Aktien oder virtuellen Anteilen nach und nach abverdient und ausüben kann. So stellt man sicher, dass diese Person sich für eine bestimmte Dauer für das Wachstum und den Erfolg des Unternehmens einsetzt.
- Zum Beispiel bedeutet ein 4-jähriges Vesting mit einem 1-Jahres-Cliff, dass der Empfänger die Rechte aus den Aktien erst am Ende des ersten Jahres ausüben kann, dann aber 25 % dieser Rechte erwirbt, wobei der Rest monatlich oder jährlich über die nächsten drei Jahre hinweg „abverdient“ wird. Der Begünstigte muss also für einen gewissen Zeitraum für das Unternehmen tätig sein, damit er seine Aktien erhält.
- Reverse Vesting-Vereinbarungen werden in Bezug auf bereits ausgegebene und im Besitz eines Aktionärs befindliche Aktien verwendet und begründen ein Kaufrecht an den bereits im Eigentum des Aktionärs befindlichen Aktien, wenn bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind. Der Aktionär besitzt also die Aktien, aber das Unternehmen behält sich das Recht vor, einen Teil dieser Aktien zu Nominalwert zurückzukaufen, wenn die Person das Unternehmen verlässt oder bestimmte Leistungsziele innerhalb eines festgelegten Vesting Schedule nicht erreicht.
In der Schweiz unterliegen die meisten Gründungsaktionäre einem Reverse Vesting. Das kann wie folgt veranschaulicht werden:
Nehmen wir an, in einem Start-up hält ein Aktionär 20 % der Aktien, die einem üblichen 4-Jahres-Vesting und einem 1-Jahres-Cliff unterliegen:
- Wenn der Aktionär nach sechs Monaten das Unternehmen verlässt, würde er seinen gesamten Aktienanteil verlieren und das Unternehmen (oder manchmal die anderen Mitaktionäre) hätten ein Kaufrecht in Bezug auf alle Aktien des ausscheidenden Mitaktionärs.
- Wenn der Mitaktionär ein Jahr bleibt, würde er 25 % seines gesamten Aktienanteils (= 5%) „definitiv“ erhalten, d.h. in Bezug auf diese Aktien geht das Kaufrecht unter. Die restlichen 15% der gehaltenen Aktien verdient er über die weiteren 3 Jahre ab. Nach Ablauf von vier Jahren sind sämtliche Aktien „gevestet“ und unterliegen in der Regel keinem Kaufrecht mehr.
Reverse Vesting-Vereinbarungen stellen sicher, dass Gründungsaktionäre motiviert bleiben, über einen längeren Zeitraum zum Erfolg des Unternehmens beizutragen, und bringt deren Interessen mit denen der anderen Beteiligten in Einklang.
Vesting-Regelungen – Optionen und Varianten
Während das Standard Vesting ein vierjähriges Vesting mit einem 1-Jahres-Cliff vorsieht, können Vesting-Regelungen auch andere Formen annehmen.
Einige Optionen sind:
Time-Based Vesting
Das zeitbasierte Vesting ist ein häufiger Ansatz, bei dem die Unternehmensanteile über einen vorher festgelegten Zeitraum und einer gleichmässigen Rate „abverdient“ oder „gevestet“ werden. Zudem wird oft eine sog. Cliff-Periode festgelegt, während der kein Vesting stattfindet. Bei einem vierjährigen Vesting mit einem 1-Jahres-Cliff würde der Aktionär im ersten Jahr keine Aktien „abverdienen“, aber dann (auf einmal) 25 % seines gesamten Aktienanteils am Ende der einjährigen Cliff-Periode „abverdient“ haben. Der Rest würde dann monatlich oder jährlich „vesten“ und zwar über einen Zeitraum von 3 Jahren (nach Ablauf der Cliff-Periode).
Meilensteinbasiertes Vesting
Meilensteinbasiertes Vesting verknüpft das „Abverdienen“ von Aktien mit spezifischen Zielen und stellt sicher, dass das „definitive“ Recht auf Aktien mit bestimmten Leistungen oder Meilensteine verknüpft ist (z.B. Erreichen von Umsatzzielen). Ein Beispiel für meilensteinbasiertes Vesting könnte wie folgt aussehen:
In einem Start-up, das Software entwickelt, unterliegen die Aktien eines Softwareengineers dem folgenden meilensteinbasierten Vesting:
- Prototyp-Fertigstellung (10 % der Aktien): 10 % der Aktien sind „abverdient“, sobald ein funktionierender Prototyp fertiggestellt ist.
- Beta-Launch (20 % der Aktien): Weitere 20 % der Aktien sind „abverdient“, wenn die Software in die Beta-Testphase eintritt. Dies stellt sich, dass der Engineer engagiert bleibt und das Produkt weiter verfeinert und entwickelt.
- Vollständiger Produkt-Launch (30 % der Aktien): Mit dem erfolgreichen Markteintritt der Software sind weitere 30 % seiner Anteile „abverdient“.
- Umsatzziel (40 % der Aktien): Die letzten 40 % der Anteile sind abverdient, sobald das Unternehmen ein bestimmtes Umsatzziel erreicht. Damit wird die langfristige Belohnung des Engineers an den finanziellen Erfolg des Produkts und des Unternehmens gekoppelt.
Beschleunigtes Vesting (Accelerated Vesting)
Sehr oft enthalten Vesting-Vereinbarungen Klauseln für ein beschleunigtes Vesting, d.h. unter bestimmten Bedingungen „vesten“ die Anteile schneller.
Dabei sind insbesondere folgende Optionen üblich:
Single Trigger Acceleration
Bei einem Single Trigger Acceleration führt ein bestimmtes Ereignis (wie z.B. ein Exit, ein Kontrollwechsel oder eine Fusion) zum sofortigen (vollständigen oder teilweisen) Vesting der Aktien. Damit soll sichergestellt werden, dass die Aktionäre mit einem Vesting auch bei wesentlichen Veränderungen des Unternehmens sofort alle Anteile „abverdient“ haben. Solche Single Trigger Acceleration-Klauseln führen aber auch dazu, dass ein potenzieller Käufer andere Wege finden muss, Mitarbeitende zu halten und zu motivieren (da nun ja alle Aktien gevestet sind und möglicherweise auch verkauft wurden). Dieser Umstand kann vom Käufer als zusätzlicher Kostenpunkt angesehen werden, der den Gesamtpreis des Deals drücken könnte.
Single Trigger Acceleration-Klauseln können daher durchaus negative Konsequenzen haben.
Double Trigger Acceleration
Bei einer Double Trigger Acceleration erfolgt das sofortige Vesting, wenn (i) ein Kontrollwechsel, Verkauf oder Fusion des Unternehmens stattfindet und (ii) innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Ereignis, das Vertragsverhältnis mit dem, dem Vesting unterliegenden Aktionär ohne wichtigen Grund gekündigt wird (oder dieser das Unternehmen aus gutem Grund verlässt).
Das beschleunigte Vesting erfordert daher zwei (2) Ereignisse, daher auch Double Trigger Acceleration und stellt sicher, dass der Mitarbeitende auch bei einem Verkauf motiviert bleibt (da kein sofortiges Vesting eintritt).
Leaver-Klauseln – Was macht Sinn und ist üblich?
Was sind Leaver-Klauseln?
Leaver-Klauseln sind vertragliche Vereinbarungen, die festlegen, was mit den Aktien eines (oft mitarbeitenden und einem Vesting unterliegenden) Aktionärs passiert, wenn dieser das Unternehmen verlässt.
Bei Leaver-Klauseln wird üblicherweise wie folgt unterschieden:
- „Good Leaver“ sind Personen, welche das Unternehmen unter „freundschaftlichen“ Umständen verlassen und daher die „abverdienten“ Aktien grundsätzlich behalten dürfen.
- „Bad Leaver“ sind Personen, welche das Unternehmen unter „strittigen“ Umständen verlassen haben und daher sowohl die abverdienten („gevesteten“) als auch die nicht gevesteten Anteile verlieren.
- „Mittlere Leaver“ sind bei Leaver-Klauseln in der Schweiz eher selten, beschreiben aber Personen, die das Unternehmen aus Gründen verlassen, die irgendwo zwischen Good Leaver und Bad Leaver liegen.
Lasst uns das mal genauer betrachten.
Der Good Leaver
Ein „Good Leaver“ ist typischerweise ein Aktionär, der das Unternehmen aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers ohne wichtigen Grund oder aus Gründen verlässt, die als fair und gerechtfertigt gelten, wie etwa Ruhestand, Krankheit oder andere gesundheitliche Umstände.
Good Leaver dürfen in der Regel ihre gevesteten Anteile behalten oder sie zu einem fairen Marktwert an das Unternehmen zurückverkaufen. Ein Aktionär, der das Unternehmen nach mehr als vier Jahren wegen gesundheitlicher Probleme verlässt, würde als Good Leaver betrachtet und seine Anteile sind üblicherweise nicht von einem Kaufrecht betroffen. Die Anteile kann der Aktionär daher behalten
In der Schweiz wird ein Good Leaver üblicherweise als eine Person definiert, deren Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen vom Unternehmen ohne guten Grund oder vom Aktionär aus familiären Gründen oder aus gesundheitlichen Gründen beendet wird.
Bitte beachtet, dass die Kündigung durch den Aktionär aus einem anderen Grund oft als Bad Leaver qualifiziert wird (mit den entsprechenden Konsequenzen). Der Begriff „guter Grund“ kann auf verschiedene Arten definiert werden, wird jedoch üblicherweise als wichtiger Grund im Sinne von Artikel 337 Abs. 2 OR definiert. Im Falle eines Good Leaver-Ereignisses darf der Aktionär normalerweise die gevesteten Anteile behalten. Die nicht gevesteten Anteile unterliegen entweder einem Rückkaufsrecht des Unternehmen oder es verfallen die entsprechenden Rechte.
Der Bad Leaver
Ein Bad Leaver ist ein Aktionär, der das Unternehmen unter ungünstigen Umständen verlässt, wie etwa bei einer Kündigung wegen Fehlverhaltens oder wenn er oder sie aus eigenem Antrieb ohne familiären oder gesundheitlichen Grund kündigt.
Die Konsequenzen für Bad Leaver sind hart; sie verlieren in der Regel die „abverdienten“ und die „nicht abverdienten“ Anteile (bzw. diese Rechte verfallen), d.h. Aktien, die einem Reverse Vesting unterliegen, müssen zurückübertragen werden und sämtliche Rechte auf Aktien gehen nach dem Austritt verloren.
Der Medium Leaver
Die Kategorie des Medium Leavers liegt irgendwo zwischen dem Good Leaver und Bad Leaver und umfasst Situationen, die nicht eindeutig in eine der beiden Kategorien passen.
Der Medium Leaver wird in der Schweiz nicht oft verwendet, könnte aber durchaus sinnvoll sein.
Unter dem üblichen Leaver-Regime würde ein Aktionär, der für einen neuen Job das Vertragsverhältnis kündigt, in der Regel als Bad Leaver qualifiziert. Wenn die involvierten Parteien nun zum Schluss kommen, dass diese Konsequenz zu hart ist, könnte man für Kündigungen aus persönlichen Gründen ausdrücklich ein Medium Leaver-Ereignis und differenziertere Konsequenzen vorsehen. Die Konsequenzen eines solchen Medium Leaver-Ereignisses können variieren. In der Regel sieht man vor, dass der Rückkauf der Anteile zu einem Preis zwischen dem Nennwert und dem Marktwert erfolgt, der austretende Aktionär partizipiert damit mindestens teilweise an der Wertsteigerung des Unternehmens.
Der Motivation hinter den Medium Leaver-Klauseln besteht darin, einen fairen und ausgewogenen Ansatz für Abgänge zu finden, welche (aus Sicht des Gründerteams) nicht eindeutig als Good Leaver oder Bad Leaver Events qualifizieren.
Was ist bei der Verhandlung von Vesting-Vereinbarungen und Leaver-Klauseln zu beachten?
Beim Aushandeln von Vesting-Vereinbarungen und Leaver-Klauseln ist es wichtig, ein faires und ausgewogenes Ergebnis für alle beteiligten Parteien sicherzustellen.
Die folgenden Punkte sind aus unserer Sicht besonders wichtig:
- Klare Definition der Leaver-Klauseln: Stelle sicher, dass die Definitionen für Good Leaver, Bad Leaver und unter Umständen Medium Leaver eindeutig sind, um Unklarheiten und potenzielle Streitigkeiten in der Zukunft zu vermeiden.
- Interessenausgleich: Strebe nach einer ausgewogenen Vereinbarung, die sowohl das Unternehmen schützt als auch die mitarbeitenden Aktionäre für ihren Einsatz belohnt.
- Zukünftige Szenarien berücksichtigen: Antizipiere verschiedene zukünftige Szenarien und stelle sicher, dass die Bestimmungen in der Vesting-Vereinbarung flexibel genug sind, um unvorhergesehene Veränderungen zu berücksichtigen.
- Vesting Acceleration mit Vorsicht einbeziehen: Obwohl Acceleration-Klauseln für Mitarbeitende und Gründer attraktiv sein können, verwende sie bedacht und erwäge die Implementierung von Double Trigger Acceleration-Klauseln, um sicherzustellen, dass im Falle eines Verkaufs der Käufer nicht benachteiligt wird.
Fazit
Vesting-Vereinbarungen fördern das Engagement und stellen sicher, dass Gründerteams oder Mitarbeitende ihre Aktienbeteiligung über die Zeit verdienen. Und wenn sich jemand entscheidet, frühzeitig auszusteigen? Hier kommen die Leaver-Klauseln ins Spiel und legen fest, was mit den Aktien passiert. Hier solltest du die vorhandenen Good Leaver, Bad Leaver oder auch Medium Leaver-Klauseln im Detail prüfen und Szenarien durchgehen. Du solltest für jedes Leaver-Ereignis genau verstehen, welche Konsequenzen es hat.
Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel dienen allgemeinen Informationszwecken und stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. In spezifischen Einzelfällen kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch Fachleute ersetzen.