Einleitung
Plötzlich steht man vor der Scheidung und es kommt die Frage auf, was mit den Aktien des Unternehmens, welches man über die letzten Jahre aufgebaut hat, passieren wird. Im Scheidungsfall kann es in Zusammenhang mit den Unternehmeraktien zu den folgenden Szenarien kommen:
- Wurden die Aktien vor Eheschluss erworben, verbleiben zwar die Aktien im bisherigen Alleineigentum des Ehegatten, allenfalls ist aber ein industrieller Mehrwert an den Aktien mit dem Ehepartner zu teilen.
- Wurden die Aktien während der Ehe erworben, sind sie allenfalls hälftig mit dem Ehepartner zu teilen.
Was bedeutet dies genau?
Wenn Ehepartner in der Schweiz keinen Ehevertrag abgeschlossen haben, unterliegen sie dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Die Errungenschaftsbeteiligung regelt, dass jeder Ehepartner zwei Gütermassen besitzt: das Eigengut und einen hälftigen Anspruch an der Errungenschaft – also dem während der Ehe erwirtschafteten Vermögen. Unternehmensaktien können regelmässig einen wesentlichen Teil des Vermögens eines Ehepartners ausmachen.
Aktienerwerb vor der Heirat
Szenario: A ist Mitinhaber der IT-Tech AG. Ein Jahr nach der Gründung des Unternehmens heiraten A und B. Sie schliessen keinen Ehevertrag ab. Während der mehrjährigen Ehe entwickelt sich die IT-Tech AG zu einem erfolgreichen Unternehmen, weshalb auch die Aktien an erheblichem Wert gewonnen haben. Es kommt zur Scheidung von A und B. Was hat A zu befürchten?
- Eigengut: Gründet ein Ehepartner vor der Ehe ein Unternehmen und zeichnet Aktien, so hat er die Aktien mit in die Ehe eingebracht. In die Ehe eingebrachte Vermögenswerte stellen Eigengut dar. Im Falle einer Scheidung bedeutet dies, dass er die Aktien nicht mit seiner Ehepartnerin zu teilen hat. Vielmehr behält er sein gesamtes Eigengut und mithin auch seine Aktien.
- Mehrwertausgleich: Sofern aber die Aktien während der Ehe an Wert gewonnen haben, kann gegebenenfalls doch ein Anspruch der Ehepartnerin entstehen. Hier ist entscheidend, ob der Wertzuwachs durch konjunkturelle (allgemeine Marktentwicklungen) oder industrielle (spezifische unternehmerische Leistungen wie Innovationen oder Effizienzsteigerungen) Gründe entstanden ist. Bei KMUs ist der Wertzuwachs der Unternehmensaktien regelmässig industriellen Gründen zu verdanken. Diese unternehmerische Leistung des Ehepartners ist wie ein üblicher Arbeitserwerb zu betrachten, weshalb auch ein solcher Wertzuwachs auf den Aktien güterrechtlich wie üblicher Lohn behandelt wird. Die Ehepartnerin hat somit Anspruch auf den hälftigen Wertzuwachs der Unternehmensaktien. Besitzt der Ehepartner in diesem Fall keine liquiden Mittel, da die Aktien einen Grossteil seines Vermögens ausmachen, muss er seine Unternehmensaktien an einen Geschäftspartner verkaufen, um an Geld zu gelangen.
Aktienerwerb während der Heirat
Szenario: A und B heiraten. Sie schliessen keinen Ehevertrag ab. Während der Ehe gründet A mit zwei Mitinhaber die IT-Tech AG. Die Aktien zeichnet A mit dem Geld seines Privatkontos, welches er während der Ehe angehäuft hat. Während der mehrjährigen Ehe entwickelt sich die IT-Tech AG zu einem erfolgreichen Unternehmen, weshalb auch die Aktien an erheblichem Wert gewonnen haben. Es kommt zur Scheidung von A und B. Was hat A zu befürchten?
- Grundsätzlich Errungenschaft: Gründet ein Ehepartner erst während der Ehe ein Unternehmen und zeichnet Aktien, so sind diese Aktien grundsätzlich als Errungenschaft zu qualifizieren.
- Ausnahmsweise Eigengut: Vorbehalten bleibt der Fall, in welchem der Ehepartner beweisen kann, dass er das Unternehmen mit Eigengut (Schenkung, Erbe, Erbvorbezug) finanziert hat – diesfalls gehören die Aktien auch in die Gütermasse des Eigenguts.
- Hälftige Teilung: Im Scheidungsfall ist die Errungenschaft hälftig zu teilen. Dabei könnte die Ehefrau entweder die Herausgabe der Hälfte der Unternehmensaktien beanspruchen oder die Ausgleichung des Werts dieser hälftigen Aktien verlangen.
- Mehrwertausgleich: Sollten die Aktien auch in diesem Fall einen industriellen Mehrwert erfahren haben, gilt hier das gleiche, wie wenn die Aktien vor der Heirat erworben worden wären: Es besteht ein Anspruch auf den hälftigen Anteil am Mehrwert der Aktien.
Möglichkeiten zur Verhinderung der Übertragung von Unternehmensaktien
Für die unterschiedlichen Szenarien gibt es auch vielseitige Lösungen. So können Unternehmer ihre Unternehmeraktien durch gezielte Regelungen in einem Ehevertrag oder einem Aktionärbindungsvertrag (ABV) schützen.
1. Ehevertrag: Ein wirksames Instrument
Ein Ehevertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag, der öffentlich zu beurkunden ist. Mit diesem Vertrag lassen sich die Vermögensverhältnisse der Ehepartner regeln. Dadurch bieten sich verschiedene Möglichkeiten, um Unternehmensaktien vor einer Teilung im Scheidungsfall zu schützen. Der Ehevertrag kann kurz vor der Ehe oder auch während der Ehe abgeschlossen werden. Die zentralen Regelungsmöglichkeiten sind:
- Gütertrennung: Durch Vereinbarung der Gütertrennung wird im Scheidungsfall das Vermögen nicht geteilt. Die güterrechtliche Situation ist diesfalls vergleichbar mit der Situation von unverheirateten Lebenspartnern. Damit kann erreicht werden, dass die Unternehmensaktien bei einer Scheidung nicht geteilt werden müssen. Jeder Ehepartner behält sein Vermögen vollständig, und es entstehen keine Ansprüche des anderen Ehepartners auf die Unternehmensaktien.
- Ausschluss der Errungenschaftsbeteiligung und Erklärung zu Eigengut (Art. 199 ZGB): Wie bereits erwähnt, wird die Gütermasse der Errungenschaft bei einer Scheidung hälftig geteilt. Sofern Teile des Unternehmens der Errungenschaft angehören (da diese mit während der Ehe erwirtschaftetem Einkommen erworben wurden) besteht die Gefahr, dass bei einer Scheidung und der damit zusammenhängenden Teilung der Errungenschaft der Unternehmung zu viel Substanz entzogen wird. Deshalb sieht das Gesetz in Art. 199 ZGB die Möglichkeit vor, mittels eines Ehevertrags bestimmte Vermögenswerte, welche für die Berufs- und Gewerbetätigkeit eines Ehegatten bestimmt und grundsätzlich der Gütermasse der Errungenschaft zugeteilt sind, als Eigengut zu erklären. Diese spezifischen Vermögenswerte wechseln damit die Gütermasse. Da das Eigengut beim jeweiligen Ehegatten verbleibt, kommt es zu keiner Teilung der Unternehmeraktien. Diese verbleiben somit nach der Scheidung unabhängig von der Finanzierungsherkunft im Eigentum des unternehmerisch tätigen Ehegatten. Gleiches kann im Ehevertrag auch für den konjunkturellen Wertzuwachs der Unternehmeraktien vereinbart werden.
Besonders zu beleuchten ist die Möglichkeit, die Erträge des Eigenguts – welche grundsätzlich der Errungenschaft zukommen – dem Eigengut selbst zuzuweisen. Vorliegend sind die Dividenden aus den Unternehmeraktien angesprochen. Im Ehevertrag können die Ehegatten regeln, dass die Dividenden Eigengut des Unternehmerehegatten darstellen und im Scheidungsfall nicht mit dem anderen Ehegatten geteilt werden müssen. Voraussetzung für eine solche Regelung ist, dass sich der unternehmerisch tätige Ehegatte für seine Tätigkeit einen angemessenen Lohn auszahlt, welcher in die Errungenschaft fällt und anlässlich der Scheidung geteilt werden kann. Mit dieser Regelung soll der unternehmerisch tätige Ehegatte daran gehindert werden, sich nur Dividenden und keinen Lohn auszubezahlen, damit der andere Ehegatte letztlich leer ausgeht. Nicht zuletzt würden in einem solchen Fall auch die Sozialversicherungen auf den Unternehmerehegatten aufmerksam werden und einen Teil der Dividendenausschüttungen in sozialbeitragspflichtigen Lohn umqualifizieren. - Regelung zur Abfindung: Im Ehevertrag kann auch vereinbart werden, dass der Ehepartner im Scheidungsfall eine Abfindung erhält, die nicht die Unternehmensaktien umfasst. Dies verhindert, dass der Ehepartner durch die Scheidung Anteile am Unternehmen erhält. Jedoch hilft eine solche Regelung nicht für den Fall, in welchem dem unternehmerisch tätigen Ehegatten die liquiden Mittel fehlen, um die güterrechtliche Ausgleichszahlung zu leisten. Die Regelung zur Abfindung kann sich bei guten finanziellen Verhältnissen jedoch als sinnvoll erweisen.
Es ist wichtig, bei der Gestaltung des Ehevertrags immer auch die möglichen erbrechtlichen Konsequenzen zu berücksichtigen.
2. Aktionärbindungsvertrag (ABV): Ein zusätzlicher Schutz
Ein ABV ist ein Vertrag zwischen den Aktionären eines Unternehmens, der ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den Aktien regelt. Er kann eine zusätzliche Schutzmassnahme darstellen, insbesondere in Kombination mit einem Ehevertrag:
- Kaufrechte: Die mit der Scheidung einhergehende güterrechtliche Auseinandersetzung kann zur Übertragung von Aktien des einen Ehegatten an den anderen führen. Damit die Anteile ungewollt in die Hände von Ehepartnern gelangen, die bisher nicht im Unternehmen eingebunden waren oder andere unternehmerische Interessen verfolgen als die ursprünglichen Aktionäre, können die Aktionäre der Unternehmung in einem ABV diverse Kaufrechte vorgesehen. Ein Kaufrecht könnte regeln, dass die Aktionäre untereinander das Recht besitzen, im Fall der Scheidung eines Aktionärs, die Aktien von ihm zu erwerben, bevor diese im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung an einen bisher unbeteiligten Ehegatten übergehen. Das Kaufrecht wird regelmässig so ausgestaltet, dass der sich in Scheidung befindende Aktionär verpflichtet ist, die übrigen Aktionäre über seine Situation zu informieren und die übrigen Aktionäre darauffolgend ihre Kaufoption zu einem vordefinierten Preis ausüben und die Aktien erwerben können. Durch die Implementierung solcher Kaufrechte bleibt das Unternehmen in der Hand der ursprünglichen Aktionäre und die Kontrolle über das Unternehmen wird nicht gefährdet.
- Umwandlung von Aktien in stimmrechtslose Aktien: Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Möglichkeit, Aktien in stimmrechtslose Aktien umzuwandeln. Diese Regelung kann im ABV dahingehend verankert werden, dass Aktien im Zuge einer Scheidung zwar an den Ehepartner übertragen werden, diese Aktien jedoch ihr Stimmrecht verlieren. Durch die Umwandlung in stimmrechtslose Aktien bleibt zwar die wirtschaftliche Teilhabe des Ehepartners gewahrt, jedoch wird dessen Einfluss auf die Unternehmensführung eingeschränkt. So können die ursprünglichen Aktionäre weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen behalten, während der wirtschaftliche Wert der Anteile für den Ehegatten als neuer Aktionär erhalten bleibt. Diese Massnahme stellt sicher, dass strategische Entscheidungen weiterhin von denjenigen getroffen werden, die das Unternehmen aufgebaut haben und die langfristigen Interessen verfolgen.
- Vinkulierung: Die Vinkulierung stellt sicher, dass keine unerwünschten Veränderungen in der Eigentümerstruktur des Unternehmens stattfinden. Häufig trifft man die Vinkulierung bei familiengeführten Unternehmen oder kleineren AGs an. Bei vinkulierten Namensaktien bedarf die Übertragung von Aktien der Zustimmung der Gesellschaft bzw. der Aktionäre. Bestehen vinkulierte Namenaktien, so kann die Gesellschaft die Zustimmung zur Übertragung aus wichtigen Gründen verweigern. In Fällen der Übertragung der Aktien kraft Gesetzes (z.B. Erbgang, güterrechtliche Auseinandersetzung) kann sich die Gesellschaft aber nicht auf einen wichtigen Grund zur Ablehnung der Übertragung von Namenaktien stützten. Möchte der andere Ehepartner somit im Rahmen der Scheidung die Namenaktien übernehmen, bleibt der Gesellschaft im Sinne eines «Notnagels» die Möglichkeit, die sogenannte «escape clause» anzurufen. Konkret kann die Gesellschaft das Gesuch um Zustimmung ablehnen, wenn sie dem Erwerber bzw. Ehegatten die Übernahme der Aktien zum wirklichen Wert anbietet (Art. 685b Abs. 4 OR). Nimmt der Ehepartner das Übernahmeangebot der Gesellschaft an, wird er zwar nie Eigentümer der Namenaktien, profitiert aber einmalig und indirekt vom entschädigten Wert dieser Namenaktien.
Fazit
Der Schutz von Unternehmensaktien im Falle einer Scheidung erfordert vorausschauende Planung und strategische Vorsichtsmassnahmen. Durch den Abschluss eines Ehevertrags können Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Vermögensverhältnisse klar regeln und sicherstellen, dass ihre Unternehmensaktien nicht ungewollt geteilt werden müssen. Ergänzend dazu kann ein ABV zusätzliche Sicherheit bieten, um eine unkontrollierte Übertragung von Aktien zu verhindern. Mit diesen Massnahmen können Unternehmerinnen und Unternehmer den langfristigen Erfolg und Bestand ihres Unternehmens auch im Falle einer Scheidung bewahren.
Zuletzt noch eine gedankliche Anregung
Bei der Ausgestaltung der Verfügungsbeschränkungen ist dennoch immer darauf zu achten, dass die richtige Balance zwischen Immobilität und Mobilität der Aktien gefunden wird. Die Verfügungsbeschränkungen sollten nicht «nur» unter dem Blickwinkel einer allenfalls zukünftigen Scheidung ausgestaltet werden, um diesfalls vorgebeugt zu haben. Die Ausgestaltung der Aktien bedarf vielmehr einer Gesamtbetrachtung und Abstimmung auf die gesamtheitlichen, individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens.
Es geht weiter…
Welche Fragen sich für Inhaber von Unternehmeraktien im Erbfall stellen und mit welchen Planungsinstrumenten sie diesfalls Abhilfe schaffen können, gibt es in einem unserer folgenden Blogbeiträge zu lesen.