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Subordinierte Wandeldarlehen - Erfüllt dein Rangrücktritt die gesetzlichen Vorgaben?

Alain Friedrich
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Alain Friedrich
18.10.2023

Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft nur so lange wirtschaften darf, wie die Gesellschaft ein positives Eigenkapital aufweist. Sobald negatives Eigenkapital vorliegt und die Gesellschaft eine Überschuldung aufweist, hat der Verwaltungsrat grundsätzlich die Pflicht, den Richter über die Überschuldung in Kenntnis zu setzen. Diese Pflicht zur Anzeige der Überschuldung dient primär dem Schutz derjenigen, die mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehung stehen oder in Zukunft in Geschäftsbeziehung treten könnten. Es soll verhindert werden, dass aktuelle und zukünftige Gläubiger durch das weitere Bestehen der Gesellschaft geschädigt werden.

Von der Notifikationspflicht sieht das Gesetz in Art. 725b Abs. 4 Ziffer 1 und 2 OR zwei Ausnahme vor:

  • Rangrücktritt: Sofern sich ein oder mehrere Gläubiger dazu bereit erklären, im Falle des Konkurses, des Nachlasses oder der Liquidation den auf Grund des negativen Eigenkapitals drohenden Ausfall der anderen Gläubiger (=Deckungslücke für die vollständige Befriedigung der übrigen Gläubiger) – durch Rangrücktritt zu übernehmen, darf der Verwaltungsrat von der Benachrichtigung des Richters vorläufig absehen.
  • Begründete Aussicht der Beseitigung der Überschuldung: Sofern begründete Aussicht besteht, dass (i) die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und (ii) die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden, kann auf die Benachrichtigung des Gerichts verzichtet werden.

Die Ausnahme des Vorliegens eines genügenden Rangrücktritts in Art. 725b Abs. 4 Ziffer 1 OR wird damit gerechtfertigt, dass bei einem Rangrücktritt sowohl die aktuellen wie auch die zukünftigen Gläubiger vor den Folgen der weiteren Aktivität der Gesellschaft geschützt sind: Es wird sichergestellt, dass die nicht im Rang zurückgetretenen Gläubiger im Falle eines Konkurses, eines Nachlasses oder einer Liquidation der Gesellschaft so gestellt werden, wie wenn ein positives Eigenkapital vorhanden wäre. Sämtliche Verluste werden von den im Rang zurücktretenden Gläubiger übernommen.

Die Finanzierung von Startups erfolgt sehr häufig über Wandeldarlehen, welche üblicherweise mit einem Rangrücktritt versehen sind. Stellt der Verwaltungsrat eine bilanzielle Überschuldung fest, ist er grundsätzlich verpflichtet, das Gericht zu notifizieren, ausser es liegt ein gültiger Rangrücktritt vor. Ein gültiger Rangrücktritt muss folgende Mindestanforderungen erfüllen:

1. Rücktritt im Rang

Zunächst muss der Gläubiger erklären, im Falle eines Konkurses, eines Nachlasses oder einer Liquidation im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurückzutreten. Dabei muss der Rangrücktritt nicht nur gegenüber den gegenwärtigen, sondern auch gegenüber sämtlichen zukünftigen Gesellschaftsgläubigern gelten.

Nachfolgend findet Ihr einen Textvorschlag in Anlehnung an das Muster für eine Rangrücktrittsvereinbarung von EXPERTsuisse:

Die Forderungen des Gläubigers im Gesamtbetrag von CHF […] werden gegenüber allen bereits bestehenden und zukünftig entstehenden Forderungen gegen die Gesellschaft im Rang zurückgestellt: Für den Fall der Konkurseröffnung (Art. 175, Art. 192 SchKG) bzw. bei Anordnung eines Konkursverfahrens zufolge eines Organisationsmangels (Art. 731b Abs. 1bis Ziff. 3 OR) und für den Fall der Bestätigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung (Art. 317 SchKG) verzichtet der Gläubiger auf die genannten Forderungen in dem Umfang, in dem das Verwertungsergebnis zur vollen Befriedigung der übrigen Gesellschaftsgläubiger und zur Deckung allfälliger Liquidations-, Stundungs- oder Konkurskosten benötigt wird.

Eingeschlossen in den Rangrücktritt sind auch alle auf den hier genannten Forderungen aufgelaufenen und künftig auflaufenden Zinsen.

Alle im Rang zurückgestellten Forderungen sind gleichgestellt.

2. Stundung, Verrechnungs- und Tilgungsverbot

Damit der Rangrücktritt die übrigen Gläubiger effektiv vor einem Forderungsausfall schützt, muss sichergestellt werden, dass bis zum Konkurs, Nachlass oder Liquidation der Gesellschaft (oder bis zur Überwindung der Überschuldung) die Forderung nicht getilgt werden kann. Es ist daher erforderlich, dass der Rangrücktritt eine Stundung der relevanten Forderung für die Dauer des Rangrücktritts enthält (und somit auch ein Verrechnungsverbot), ebenso wie ein umfassendes Tilgungsverbot für die Gesellschaft.

Nachfolgend findet Ihr einen Textvorschlag in Anlehnung an das Muster für eine Rangrücktrittsvereinbarung von EXPERTsuisse:

Die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen und Zinsen sind während der Dauer der vorliegenden Vereinbarung gestundet.

Die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen und Zinsen dürfen weder vollständig noch teilweise bezahlt noch durch Verrechnung oder Neuerung getilgt noch neu sichergestellt werden.

Im Falle des Konkurses oder der Nachlassliquidation des Gläubigers darf die Gesellschaft eigene Forderungen gegen den Gläubiger mit den vom Rangrücktritt erfassten Forderungen und Zinsen verrechnen.

3. Bonität des Gläubigers

Ein weiteres (oft vergessenes) Element des Rangrücktritts ist die Bonität des den Rangrücktritt erklärenden Gläubigers. Es geht dabei darum, dass die Gewährung eines Rangrücktritts im Falle des Konkurses des den Rangrücktritt gewährenden Gläubigers der paulianischen Anfechtung unterliegt, da die Gewährung eines Rangrücktritts grundsätzlich eine Benachteiligung der Gläubiger des Rangrücktrittsgläubigers darstellt (weil er potenziell auf eine Forderung verzichtet).

Sofern eine solche paulianische Anfechtung erfolgreich geltend gemacht wird, führt dies zur Unbeachtlichkeit des Rangrücktritts im Verhältnis zur schuldnerischen Gesellschaft (und somit zum Verlust des Schutzes der übrigen Gesellschaftsgläubiger vor einem Forderungsausfall). Vor Abschluss einer Rangrücktrittsvereinbarung sollte daher die Bonität des den Rangrücktritt gewährenden Gläubigers abgeklärt oder mindestens gewürdigt werden.

4. Verzicht auf Geltendmachung von Sicherheiten

Sofern eine Forderung mit Aktiven des Schuldners besichert ist, bewirkt ein Rangrücktritt keinen Schutz der übrigen Gläubiger. Auf Grund des mit der Sicherheit verbundenen Vorrechtes wird der Rangrücktritt faktisch ausgehebelt, da die zur Sicherstellung verwendeten Aktiven trotz Rangrücktritts den anderen Gläubigern entzogen bleiben.

Es ist daher notwendig, dass der den Rangrücktritt erklärende, besicherte Gläubiger für die Dauer des Rangrücktritts darauf verzichtet, die Sicherheit geltend zu machen.

Nachfolgend findet Ihr einen Textvorschlag in Anlehnung an das Muster für eine Rangrücktrittsvereinbarung von EXPERTsuisse:

Falls für die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen Sicherheiten bestellt wurden, so wird das Recht des Gläubigers, aus diesen Sicherheiten Befriedigung zu verlangen, während der Dauer des Rangrücktritts ausgeschlossen. Vorbehalten bleiben durch Dritte bestellte Sicherheiten, für die kein Regressrecht gegenüber der Gesellschaft besteht.

5. Umfang des Rangrücktritts

Für die Berechnung der notwendigen Höhe des Rangrücktritts verweist das Gesetz auf die Unterdeckung als Referenzgrösse, d.h. der Rangrücktritt muss mindestens im Umfang der Überschuldung gewährt werden. In der Regel wird jedoch eine Marge eingebaut, d.h. der Rangrücktritt umfasst einen Forderungsbetrag, welcher die Überschuldung übersteigt.

6. Dauer und Aufhebung des Rangrücktritts

Der Rangrücktritt muss zudem mindestens für die Dauer der Überschuldung abgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass der Rangrücktritt so ausgestaltet sein muss, dass er vor Beseitigung der Überschuldung weder einseitig durch den im Rang zurücktretenden Gläubiger noch im gegenseitigen Einverständnis durch den im Rang zurücktretenden Gläubiger und die Gesellschaft aufgehoben werden kann.

Entsprechend wird der Rangrücktritt typischerweise auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und es wird vereinbart, dass eine Aufhebung des Rangrücktritts nur möglich ist, wenn sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft (somit auch die im Rangzurückgestellte Forderung) durch Aktiven der Gesellschaft gedeckt sind.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei einem ungenügenden Rangrücktritt?

Wird über eine Gesellschaft der Konkurs eröffnet, kann dem Verwaltungsrat möglicherweise eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, und es wird versucht, den Verwaltungsrat für die erlittenen Verluste mittels Verantwortlichkeitsklage gemäss Art. 754 OR zur Verantwortung zu ziehen.

Dabei wird dem Verwaltungsrat oft der Vorwurf gemacht, dass er die Konkursanzeigepflicht nach Art. 725b Abs. 3 OR auf Grund einer verspäteten oder unterlassenen Notifikation verletzt habe und der Gesellschaft dadurch einen sog. Konkursverschleppungsschaden verursacht und diesen zu ersetzen habe. Beim Konkursverschleppungsschaden geht es um die Differenz zwischen dem negativen Eigenkapital der Gesellschaft im Zeitpunkt der Verletzung der Notifikationspflicht und dem negativen Eigenkapital im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Konkurseröffnung.

Das Hauptrisiko für den Verwaltungsrat, der die Notifikation des Richters gestützt auf einen Rangrücktritt unterlässt, liegt somit darin, dass ihm im Falle eines nachfolgenden Konkurses der Gesellschaft eine Konkursverschleppung vorgeworfen wird.

Das Haftungsrisiko bei einem von Anfang ungenügenden Rangrücktritt ist daher beträchtlich. Folglich seid Ihr gut beraten, den Rangrücktritt in Euren Darlehensverträgen sorgfältig zu prüfen.

Take Home Message

Jeder Rangrücktritt sollte idealerweise folgende Elemente enthalten:

  • Rangrücktritt in Bezug auf die Forderung und die anfallenden Zinsen im Umfang der Überschuldung bzw. vollständiger Rangrücktritt
  • Stundung der Forderung sowie ein Verrechnungs- und Tilgungsverbot
  • Verzicht auf die Geltendmachung von Sicherheiten
  • Unbeschränkter Rangrücktritt

Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel dienen allgemeinen Informationszwecken und stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. In spezifischen Einzelfällen kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch Fachleute ersetzen.

Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft nur so lange wirtschaften darf, wie die Gesellschaft ein positives Eigenkapital aufweist. Sobald negatives Eigenkapital vorliegt und die Gesellschaft eine Überschuldung aufweist, hat der Verwaltungsrat grundsätzlich die Pflicht, den Richter über die Überschuldung in Kenntnis zu setzen. Diese Pflicht zur Anzeige der Überschuldung dient primär dem Schutz derjenigen, die mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehung stehen oder in Zukunft in Geschäftsbeziehung treten könnten. Es soll verhindert werden, dass aktuelle und zukünftige Gläubiger durch das weitere Bestehen der Gesellschaft geschädigt werden.