Was ist ein Stimmrechtspooling?
Der Begriff Stimmrechtspooling beschreibt einen Zustand, in welchem bestimmte Investorinnen und Investoren (in der Regel Minderheitsaktionäre mit einem Anteil von weniger als 2-5%) ihre Stimmrechte bündeln und einen Lead Investor oder eine andere Person (Vertreter) bevollmächtigen, ihre Aktionärsrechte auszuüben. Der Vertreter wird dabei bevollmächtigt, die Minderheitsaktionäre bei Aktionärsbeschlüssen zu vertreten. Die Bevollmächtigung hat dabei keinen Einfluss auf die Eigentümerstellung der Minderheitsaktionäre. Diese bleiben dabei Eigentümer der Beteiligungsrechte und bevollmächtigen den Vertreter in der Regel nur zur Ausübung der damit verbundenen Stimmrechte.
Die Bevollmächtigung kann jedoch über die blosse Stimmrechtsausübung hinausgehen. So gibt es beispielsweise vertragliche Regelungen, gemäss welchen der Vertreter nicht nur das Stimmrecht ausüben darf, sondern im Namen und in Vertretung der Minderheitsaktionäre auch den Aktionärbindungsvertrag anpassen und neu verhandeln, allfällige sonstige Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Investition unterzeichnen und ganz allgemein als Vertreter der Minderheitsaktionäre im Zusammenhang mit der Investition in das Unternehmen agieren kann.
Das konkrete Ausmass des Poolings ist somit vom Einzelfall abhängig.
Was sind die rechtlichen Grundlagen des Stimmrechtspoolings?
Gesetzliche Grundlage des Stimmrechtspoolings ist Art. 689 Abs. 2 OR, wonach sich jeder Aktionär – vorbehältlich einer anderen Regelung in den Statuten – durch einen Dritten vertreten lassen darf. Die entsprechende Bevollmächtigung muss gemäss Art. 689a Abs. 1 OR schriftlich erfolgen, wobei gemäss herrschender Lehre auch eine elektronische Vollmacht zulässig ist. Im neuen Aktienrecht (ab 01. Januar 2023 in Kraft) befindet sich die gesetzliche Grundlage in Art. 689b Abs. 1 nOR.
Weiter sind die allgemeinen Regelungen des Stellvertretungsrecht in Art. 32 ff. OR zu beachten.
Praktisch erfolgt die Bevollmächtigung in der Regel durch eine entsprechende Vertragsklausel im Aktionärsbindungsvertrag und durch Unterzeichnung einer separaten schriftlichen Vollmacht.
Der Umfang der Vollmacht ist dabei von den Abreden im Aktionärbindungsvertrag abhängig.
Wie hat der Vertreter konkret vorzugehen?
Der Vertreter ist bei der Ausübung der Stimmrechts grundsätzlich an die Weisungen Minderheitsaktionären gebunden. Wie die Weisungen durch den Vertreter in Empfang genommen werden, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Aktionärbindungsvertrags ab.
Entweder kann jeder Minderheitsaktionär vorab eine individuelle Weisung erteilen oder die Minderheitsaktionäre verpflichten sich, den Vertreter gemäss Mehrheitsbeschluss zu instruieren.
Kann die Vollmacht widerrufen werden?
Bei einer Bevollmächtigung muss stets berücksichtigt werden, dass die Vollmacht gemäss Art. 34 Abs. 1 und 2 OR jederzeit widerrufen werden kann. Die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit darf gemäss herrschender Lehre auch nicht indirekt beschränkt werden, indem zum Beispiel eine Konventionalstrafe für den Fall des Widerrufs vereinbart wird.
Ein Pooling über Vollmachten ist damit bei genauer Betrachtung ein «schwaches» Pooling, da es von den Minderheitsaktionäre jederzeit widerrufen werden kann. Diese jederzeitige Widerrufbarkeit ist ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht, wonach eine Vollmacht unter gewissen Bedingungen unwiderruflich ausgestaltet werden kann.
Wie kann eine Pooling Vereinbarung vertraglich umgesetzt werden?
Die vertragliche Ausgestaltung einer Pooling-Vereinbarung ist stark vom Einzelfall abhängig. Ein generisches Beispiel ohne Rücksichtnahme auf den Einzelfall könnte in einem Aktionärbindungsvertrag wie folgt ausgestaltet sein:
Disclaimer: Die in diesem Beitrag enthaltenen Informationen dienen allgemeinen Informationszwecken und stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. Im konkreten Einzelfall kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch fachkundige Personen ersetzen.