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Klage auf Übertragung von Kryptowährungen und Token – besondere Probleme

Nino Sieve
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Nino Sieve
31.1.2022

Berater in der Blockchain-Industrie werden oft in Kryptowährungen oder Token bezahlt. Bei Streitigkeiten tun sich hierbei aufgrund der Volatilität dieser Vermögenswerte jedoch besondere Probleme auf. Man muss sich fragen, ob man die Forderung in eine FIAT-Währung umrechnen will, um so das Risiko eines Kursverlustes während laufendem Gerichtsverfahren zu vermeiden. Ebenso muss auf eine kurze Verfahrensdauer geachtet werden.

Kann der Schuldner auf FIAT Währung ausweichen?

Grundsätzlich kann nach Art. 84 Abs. 2 OR eine Forderung in einer Fremdwährung auch in Schweizerfranken beglichen werden, ausser die Parteien hätten dies ausgeschlossen (Effektivklausel). Es stellt sich nun die Frage, ob diese Bestimmung auch auf Kryptowährungen oder Token anwendbar ist.

Diese Frage wurde bis anhin zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden, jedoch bereits in der Lehre kontrovers debattiert. Der Grossteil der Lehre spricht sich gegen eine Analogie aus, womit dem Schuldner keine Umwandlung in Schweizer Franken offensteht. Dennoch kann ein gegenteiliges Gerichtsurteil nicht ausgeschlossen werden.

Sollte eine Analogie bejaht werden, wäre diese aller Voraussicht nach auf Kryptowährungen und sog. Zahlungstoken (vgl. Bericht der FINMA; https://www.finma.ch/de/news/2018/02/20180216-mm-ico-wegleitung/) beschränkt. Bei Bejahung einer Analogie stünde es dem Schuldner frei, anstatt der vereinbarten Kryptowährungen / Token eine Zahlung in Schweizer Franken zu leisten. Der relevante Kurs für die Umrechnung der Kryptowährung / Token in Schweizerfranken bestimmt sich dabei grundsätzlich im Zeitpunkt der Fälligkeit. Dies würde bedeuten, dass der Schuldner eine etwaige positive Kursentwicklung zwischen Fälligkeit und Zahlung einbehalten könnte.

Um dem Schuldner diesen Vorteil abzuschneiden, ist ein Gläubiger gut beraten für die unverzügliche Inverzugsetzung zu sorgen. Zudem schützt die Inverzugsetzung den Gläubiger auch vor einem negativen Kursverlauf, da dieser dann als Verzugsschaden eingefordert werden könnte.

Fazit: Es ist unwahrscheinlich, jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Vertragspartner die geschuldete Kryptowährung / Token in Schweizer Franken umwandeln kann (ohne Zustimmung der Gegenpartei). Dennoch ist einem Gläubiger zu raten, den Schuldner umgehend nach Fälligkeit in Verzug zu setzen, um dem Schuldner das Einbehalten etwaiger Kursgewinne zu verunmöglichen.

Kann der Gläubiger auf FIAT anstatt Kryptowährung / Token klagen?

Aus Art. 84 OR lässt sich keine Berechtigung für den Gläubiger ableiten, seine auf Kryptowährung / Token lautende Forderung in Schweizer Franken umzuwandeln. Setzt er allerdings den säumigen Schuldner durch Mahnung in Verzug, stehen ihm zusätzliche Rechtsbehelfe offen.

Setzt der Gläubiger nach der Inverzugsetzung dem Schuldner eine zusätzliche Frist (sog. Nachfrist) zur Übertragung der Kryptowährung / Token und lässt der Schuldner auch diese Frist unbenutzt ablaufen, kann der Gläubiger auf die Übertragung der Kryptowährung / Token verzichten und anstatt dessen auf Schadenersatz klagen, der mutmasslich dem Schweizerfranken-Wert der Kryptowährung / Token in diesem Zeitpunkt entspricht. Auf diese Weise ist eine indirekte Umwandlung in Schweizerfranken also möglich.

Die Dauer des Forderungsprozesses als Hindernis

Eines der Hauptprobleme bei einem Forderungsprozess ist die Verfahrensdauer. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Gläubiger 18-24 Monate warten muss, bevor er ein erstinstanzliches Urteil erhält. Während dieser Zeit sind die Kryptowährung / Token den bekannten Wertschwankungen ausgesetzt. Diesen Schwankungen kann man zum Teil durch eine schnelle Inverzugsetzung des Schuldners und einer allfälligen Umwandlung in einen Schadenersatzanspruch begegnen. Allerdings gilt es zu beachten, dass der Unternehmenserfolg der Gegenpartei in der Blockchain-Industrie oft selber direkt von der Kursentwicklung abhängt. Insofern kommt zum Kursrisiko ein gleichlaufendes Solvenzrisiko hinzu.

Dieses Risiko lässt sich im Prozessfall nicht mehr effektiv vermeiden. Man muss hier bereits bei der Vertragsredaktion ansetzen und für den Streitfall besondere Massnahmen vorsehen. Es empfiehlt sich eine Schiedsklausel in den Vertrag aufzunehmen und die Schnellverfahren für anwendbar zu erklären (unabhängig vom Streitwert). Dies sollte sicherstellen, dass ein etwaiges Urteil innert 6 Monaten erstritten werden kann. Ein Beispiel für eine solche Schiedsklausel lautet:

“Any dispute, controversy, or claim arising out of, or in relation to, this contract, including regarding the validity, invalidity, breach or termination thereof, shall be resolved by arbitration in accordance with the Swiss Rules of International Arbitration of the Swiss Arbitration Centre in force on the date on which the Notice of Arbitration is submitted in accordance with those Rules.
The number of arbitrators shall be one. The Expedited Procedure shall apply. The seat of the arbitration shall be Zurich, Switzerland.”

Fazit

Bei Klagen auf Kryptowährung und Token ist aufgrund der Wertvolatilität den Verzugsregeln besondere Beachtung zu schenken. Die Prozessdauer ist von wichtiger Bedeutung, weshalb der Abschluss einer Schiedsvereinbarung in den entsprechenden Verträgen zu empfehlen ist.

Consultants in the blockchain industry are often paid in cryptocurrencies or tokens. However, disputes in this area give rise to particular problems due to the volatility of these assets. One must ask oneself whether to convert the claim into a FIAT currency, thereby avoiding the risk of negative cryptocurrency-market developments during ongoing legal proceedings. Likewise, attention must be paid to a short duration of the proceedings.