Text Link

Kapitalverlust per Ende 2022? Das neue Aktienrecht zwingt dich zur eingeschränkten Revision (auch wenn du sonst auf eine Revision verzichtet hast).

Alain Friedrich
Written by
Alain Friedrich
26.1.2023

Start-ups verzichten in den ersten Jahren ihrer Geschäftstätigkeit häufig auf eine Revisionsstelle. Dies ist grundsätzlich zulässig, sofern die Gesellschaft im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 10 Vollzeitstellen aufweist und sämtliche Aktionäre auf eine Revision verzichten (sog. Opting-out).
Das neue Aktienrecht verpflichtet nun aber auch Gesellschaften mit Opting-out, die letzte Jahresrechnung einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor zu unterziehen, sofern diese einen Kapitalverlust ausweist (Art. 725a OR).

Worum geht es?

Im Rahmen der Aktienrechtsrevision wurden das Sanierungsrecht und insbesondere die Bestimmungen über den Kapitalverlust angepasst. Die angepassten Bestimmungen gelten vollumfänglich ab dem 01. Januar 2023 vollumfänglich, d.h. sie gelten auch für die Jahresrechnung per 31. Dezember 2022.

Zeigt die Jahresrechnung per Ende 2022 einen Kapitalverlust?

Sofern daher die Jahresrechnung per 31. Dezember 2022 einen Kapitalverlust im Sinne von Art. 725a OR ausweist, hat der Verwaltungsrat nicht nur die erforderlichen Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlustes zu treffen (z.B. Beschaffung von neuem Eigenkapital, Bilanzbereinigung durch Kapitalherabsetzung oder Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital), sondern auch einen zugelassenen Revisor zu ernennen, der die Jahresrechnung per Ende 2022 vor der Genehmigung durch die Generalversammlung einer eingeschränkten Revision unterzieht.

Diese Regelung gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft grundsätzlich auf eine Revision verzichtet und von einem sog. Opting-Out Gebrauch gemacht hat.

Was ist ein Kapitalverlust nach Art. 725a OR?

Ein nach Art. 725a OR relevanter Kapitalverlust liegt vor, wenn die letzte Jahresrechnung zeigt, dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten der Gesellschaft die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken.

Zusammengefasst liegt daher ein Kapitalverlust vor, wenn das Eigenkapital geringer als 50% des geschützte Eigenkapitals ist.

Einen Beitrag zur Berechnung des geschützten Eigenkapitals findest du hier.

Was muss der Verwaltungsrat tun, wenn er per Ende 2022 einen Kapitalverlust feststellt?

Sofern die Jahresrechnung einen Kapitalverlust nach Art. 725a OR zeigt, muss der Verwaltungsrat eine zugelassene Revisorin bestimmen (Art. 725a Abs. 2 OR) und diese beauftragen, eine eingeschränkte Revision der Jahresrechnung durchzuführen.

Diese Revision ist besonders, weil die Berichterstattung zuhanden des Verwaltungsrats erfolgt. Mit der Prüfung soll sichergestellt werden, dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens effektiv nicht schlechter ist, als sie vom Verwaltungsrat dargestellt wird, also z.B. Leistungen aktiviert werden, welche nicht aktiviert werden dürfen.

Der zugelassene Revisor hat bei der Revision mit der gebotenen Eile vorzugehen. Vor dem Hintergrund dieses Beschleunigungsgebot wird es wohl nicht immer einfach sein, eine entsprechende Revisorin zu finden.

Keine Revisionspflicht besteht, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung stellt.

Was geschieht, wenn der Verwaltungsrat die Jahresrechnung nicht prüfen lässt?

Gemäss Art. 731 Abs. 3 OR sind Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresrechnung sowie über die Verwendung des Bilanzgewinnes nichtig, wenn sie gefasst werden, ohne dass der Generalversammlung der erforderliche Revisionsbericht vorliegt. Liegt daher per Ende 2022 ein Kapitalverlust vor und lässt der Verwaltungsrat die Jahresrechnung nicht genehmigen, ist der entsprechende Beschluss nichtig. Vorbehalten bleibt der Fall des Gesuchs um Nachlassstundung.

Zudem greift die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, wenn ein Verwaltungsrat trotz Vorliegen eines Kapitalverlusts die Jahresrechnung keiner eingeschränkten Revision unterziehen lässt.

Start-ups verzichten in den ersten Jahren ihrer Geschäftstätigkeit häufig auf eine Revisionsstelle. Dies ist grundsätzlich zulässig, sofern die Gesellschaft im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 10 Vollzeitstellen aufweist und sämtliche Aktionäre auf eine Revision verzichten (sog. Opting-out). Das neue Aktienrecht verpflichtet nun aber auch Gesellschaften mit Opting-out, die letzte Jahresrechnung einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor zu unterziehen, sofern diese einen Kapitalverlust ausweist (Art. 725a OR).