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Fragen und Antworten zum Erwerb eigener Aktien durch Schweizer Gesellschaften

Alain Friedrich
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Alain Friedrich
10.1.2023

Der Erwerb eigener Aktien ist ein Dauerbrenner. Immer wieder fragen sich Unternehmen, ob sie im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, beim Austritt von Aktionären oder in anderen Situationen eigene Aktien erwerben dürfen.

Im nachfolgenden Beitrag gehe ich auf einige der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien ein. Die Übersicht ersetzt keine Beratung im Einzelfall, soll aber erste praktische Anhaltspunkte liefern.

Darf meine Gesellschaft eigene Aktien erwerben?

Ja, eine Gesellschaft darf eigene Aktien erwerben, sofern die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Der Erwerb eigener Aktien ist in Art. 659 und 659a OR geregelt.  

  • Vorhandensein von frei verwendbarem Eigenkapital: Eine Gesellschaft muss beim Erwerb der eigenen Aktien über frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswertes der Aktien verfügen. Der Begriff des frei verwendbaren Eigenkapitals wird nachfolgend erläutert.
  • Einhaltung der gesetzlichen Erwerbsgrenzen (10% oder 20%). Eine Gesellschaft darf eigene Aktien grundsätzlich nur im Umfang von maximal zehn (10) Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals erwerben. Sofern der Erwerb jedoch im Zusammenhang mit einer Übertragungsbeschränkung (z.B. zur Abwehr unerwünschter Aktienerwerber i.S.v. Art. 685b Abs. 1 OR) oder einer Auflösungsklage erfolgt, beträgt die Höchstgrenze zwanzig (20) Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals. Die über zehn (10) Prozent hinaus erworbenen Aktien sind jedoch innert zweier (2) Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
  • Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes: Beim Erwerb eigener Aktien ist der Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten. Konkret bedeutet dies was folgt:
  1. Eine Gesellschaft darf ein Kaufangebot nur dann auf einzelne Aktionäre beschränken, wenn die Einschränkung sachlich begründet ist und die übrigen Aktionäre nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden.
  2. Die Gesellschaft muss allen veräusserungswilligen Aktionären bei identischer Sachlage den Erwerb zu denselben Konditionen anbieten.
  3. Der Erwerb der eigenen Aktien muss zum Verkehrswert («at arm’s length») stattfinden. Sachliche Abweichungen sind jedoch zulässig.

Werden eigene Aktien unentgeltlich erworben (d.h. ohne Gegenleistung) darf die Grenze von zehn (10) Prozent grundsätzlich überschritten werden. Auch die Voraussetzung des Vorhandenseins von frei verwendbarem Eigenkapital ist nicht zwingend zu erfüllen.

Was bedeutet frei verwendbares Eigenkapital?

Der Begriff des frei verwendbaren Eigenkapitals beschreibt den ausschüttbaren Betrag der Reserven.

Reserven sind ausschüttbar, soweit sie nicht gesetzlich geschützt sind. Geschützt sind neben dem Aktienkapital die gesetzliche Kapitalreserve und die gesetzliche Gewinnreserven im Betrag von zusammen fünfzig (50) Prozent bzw. bei Holdinggesellschaften zwanzig (20) Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals (Art. 671 Abs. 2 und Art. 672 Abs. 2 OR). Der so errechnete Betrag der nicht gesperrten Reserven (und des Bilanzgewinns) muss schliesslich noch um allfällige bereits bestehende Minuspositionen für eigene Aktien und Zwischendividenden gekürzt werden. Das Resultat ist das frei verwendbare Eigenkapital.

Die Frage nach der Existenz des frei verwendbaren Eigenkapitals ist aufgrund der letzten von der Generalversammlung genehmigten Bilanz zu beurteilen. Laufende Verluste sind vom Verwaltngsrat bei der Beurteilung zu berücksichtigen.  

Darf eine Gesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung eigene Aktien zeichnen?

Ja. Eine Gesellschaft darf im Rahmen einer Kapitalerhöhung eigene Aktien zeichnen, sofern die obgenannten allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Anschaffungswert entspricht in diesem Fall dem Ausgabebetrag.

Die Zeichnung neuer Aktien ist grundsätzlich wie der derivative Erwerb von Aktien zu behandeln.

Welche Folgen hat die Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen zum Erwerb eigener Aktien?

Die Erwerbseinschränkungen in Art. 659 OR sind Ordnungsvorschriften. Die Verletzung der gesetzlichen Regelungen hat daher nicht die Nichtigkeit des Kaufvertrags zur Folge, kann aber im Schadensfall zur Verantwortlichkeit des VR führen.

Anders sieht es aus, wenn der Erwerb der eigenen Aktien nicht aus frei verwendbarem Eigenkapital erfolgt. Diesfalls könnte eine Verletzung des Verbotes der Einlagerückgewähr vorliegen, was den Erwerb möglicherweise nichtig werden lässt (Art. 680 Abs. 2 OR). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.

Wer ist für den Rückkauf der eigenen Aktien zuständig?

Der Kauf und Widerverkauf von eigenen Aktien liegt im ausschliesslichen Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsrats (und nicht der Generalversammlung).

Bei Verletzung der entsprechenden Vorschriften ist entsprechend auch der Verwaltungsrat haftbar.

Welche Rechte hat das Unternehmen, das die eigenen Aktien zurückgekauft hat?

Das Stimmrecht und die damit verbundenen Rechte der eigenen Aktien (z.B. Recht auf Einberufung einer Generalversammlung, Teilnahmerecht, Recht auf Auskunft, Recht auf Einsicht und Antragsrecht) ruhen. Die Stimmen, betreffend der eigenen Aktien, sind damit bei der Stimmenauszählung und bei der Berechnung des gesetzlichen und statutarischen absoluten oder relativen Mehrs nicht zu berücksichtigen.  

Was ist beim Erwerb eigener Aktien aus steuerlicher Sicht zu beachten?

Erwirbt eine Gesellschaft eigene Aktien aus dem Privatvermögen einer natürlichen Person, liegt grundsätzlich ein steuerfreier Kapitalgewinn auf Stufe der natürlichen Person vor.

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Falls eine sog. direkte Teilliquidation vorliegt, unterliegt die positive Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem Nennwert (und den allfälligen Kapitaleinlagereserven, KER) als Liquidationsdividende der Einkommens- und Verrechnungssteuer.

Werden die Anteile unentgeltlich erworben, entstehen keine Einkommens- und Verrechnungssteuerfolgen auf Stufe der verkaufenden natürlichen Person.

Was ist eine direkte Teilliquidation beim Erwerb eigener Aktien?

Beim Erwerb von eigenen Aktien liegt in den nachstehenden drei Fällen eine direkte Teilliquidation mit den entsprechenden Einkommens- und Verrechnungssteuerfolgen vor:

Erwirbt eine Gesellschaft eigene Aktien zwecks förmlicher Kapitalherabsetzung, erzielt der in der Schweiz ansässige Aktionäre, der seine Aktien im Privatvermögen hält, eine steuerbare Liquidationsdividende. Die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Nennwert unterliegt der Einkommens- und Verrechnungssteuer.

Keine Steuerfolgen fallen an, wenn die erwerbende Gesellschaft die eigenen Aktien beim Erwerb als «eigene Kapitalanteile gegen KER» ausweist.

Erwirbt eine Gesellschaft eigene Anteile von mehr als zehn (10) Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals, führt dies beim Verkauf aus dem Privatvermögen zu einer Liquidationsdividende, die der Einkommens- und Verrechnungssteuer unterliegt.

Gleiches gilt, wenn die zwanzig (20) Prozent-Schwelle von Art. 659 Abs. 2 OR überschritten wird. Die Besteuerung erfolgt im Zeitpunkt des Rückkaufs.

Wird die Erwerbsgrenze von zwanzig (20) Prozent eingehalten, treten die steuerlichen Teilliquidationsfolgen für denjenigen Anteil, der zwischen zehn (10) und zwanzig (20) Prozent liegt, in dem Moment ein, in welchem die Haltedauer von zwei (2) Jahren überschritten wird.

Für die übrigen Anteile erfolgt die Besteuerung nach Ablauf von der folgenden Haltedauer:

  • Sechs (6) Jahre für diejenigen eigenen Aktien, welche im Rahmen der zulässigen Erwerbsgrenzen erworben wurden, d.h. eine Gesellschaft muss die unter Einhaltung der zehn (10) Prozent Schwelle erworbenen eigenen Aktien innerhalb von sechs (6) Jahren wiederveräussern. Tut sie das nicht, treten Steuerfolgen ein.
  • Zwölf (12) Jahre für diejenigen eigene Aktien, welche im Zusammenhang mit einem Mitarbeiterbeteiligungsplan erworben wurde.
  • Keine Veräusserungsfrist gilt für eigene Aktien, welche auf Wandel- oder Optionsanleihen beruhen. In solchen Fällen steht die Veräusserungsfrist gemäss Art. 4a Abs. 3 Verrechnungssteuergesetz bis zum Erlöschen der betreffenden Verpflichtungen in der Wandel- oder Optionsanleihe still.

In den obgenannten Fällen erfolgt die Besteuerung bei Ablauf der zulässigen Haltedauer. Für den Verkäufer kann dies zu bösen (Steuer-) Überraschungen führen.

Werden die Erwerbsquoten eingehalten und veräussert die Gesellschaft die eigenen Aktien innerhalb der gesetzlichen Fristen, liegt beim Veräusserer ein steuerfreier Kapitalgewinn vor. Steuerfolgen treten keine ein.

Werden die eigenen Aktien durch eine Kapitalgesellschaft veräussert, erzielt diese im Zeitpunkt des Verkaufs einen steuerbaren Kapitalgewinn- bzw. -verlust. Besteuert wird jeweils die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Gewinnsteuerwert. Der Beteiligungsabzug wird bei Erfüllung der Voraussetzungen gewährt. Kommt es zu einer direkten Teilliquidation gemäss den obigen Grundsätzen, hat der Erwerb Verrechnungssteuerfolgen.

Was geschieht bei einem Wiederverkauf der eigenen Aktien?

Eine allfällige Differenz zwischen dem Veräusserungs- und Anschaffungswert der eigenen Aktien kann erfolgsneutral oder erfolgswirksam verbucht werden. In beiden Fällen gilt die Differenz steuerlich entweder als steuerbarer Gewinn oder Aufwand.

Werden die eigenen Anteile innerhalb der gesetzlichen Fristen wieder verkauft, gilt der Veräusserungsgewinn nicht als Kapitaleinlagereserven. Kapitaleinlagereserven können nur gebildet werden, wenn über die eigenen Aktien nach dem Erwerb abgerechnet wurde (d.h. eine direkte Teilliquidation stattgefunden hat) und die Aktien über dem Nennwert ausgegeben bzw. veräussert werden.

Aus mehrwertsteuerlicher Sicht ist der Verkauf eigener Aktien gemäss Bundesgericht wie eine Einlage in ein Unternehmen zu behandeln, d.h. der Verkauf von eigenen Aktien ist mehrwert-steuerlich keine Leistung (Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG). Entsprechend können Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Verkauf von eigenen Aktien im Grundsatz zurückgefordert werden.

Wie sind eigene Aktien buchhalterisch zu verbuchen?

Die eigenen Aktien sind in Form eines Minuspostens unter den Passiven beim Eigenkapital aufzuführen (Art. 959a Abs. 2 Ziff. 3 Bst. OR). Der Minusposten muss dabei beim verwendbaren Eigenkapital aufgeführt werden, nicht beim Aktienkapital. Dieses bleibt auch nach Erwerb der eigenen Aktien unverändert.

Wie bestimmt sich der Kaufpreis der eigenen Aktien?

Der Erwerb und der Wiederverkauf der eigenen Aktien muss grundsätzlich zum Verkehrswert bzw. «at arm’s length» erfolgen.

Bei einem Erwerb eigener Beteiligungsrechte zu einem überhöhten Preis stellt die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Verkehrswert eine geldwerte Leistung dar, welche der Verrechnungs- und Einkommenssteuer unterliegt.

Verkauft eine Gesellschaft eigene Beteiligungsrechte an einen Aktionär oder einen nahestehenden Dritten zu einem zu tiefen Preis, stellt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert und dem Verkaufspreis ebenfalls eine geldwerte Leistung mit Einkommens- und Verrechnungssteuerfolgen dar.

Welche Grundsätze sind beim Erwerb eigener Aktien im Kopf zu behalten?

  • Werden eigene Aktien unentgeltlich erworben, bestehen aus zivil- und steuerrechtlicher Sicht wenig Risiken. Eine detaillierte Analyse des Sachverhalts macht jedoch trotzdem Sinn.
  • Werden eigene Aktien entgeltlich erworben, ist zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft über frei verwendbares Eigenkapital verfügt.
  • Liegt kein frei verwendbares Eigenkapital vor, ist eine unentgeltlicher Erwerb zu empfehlen. Bei einem entgeltlichen Erwerb ohne frei verwendbares Eigenkapital, bestehen rechtliche Risiken, welche es im Detail zu prüfen und evaluieren gilt.
  • Sowohl der Verkäufer als auch die erwerbende Gesellschaft hat beim Erwerb eigener Aktien die steuerlichen Risiken zu prüfen. Diese können bei Nichteinhaltung der Haltefristen auch erst Jahre nach Erwerb eintreten.
  • Ein Erwerb von eigenen Aktien im Umfang von weniger als zehn (10) Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals und eine nachfolgende Wiederveräusserung innerhalb von sechs (6) Jahren ist steuerlich grundsätzlich unproblematisch. Vorbehalten bleiben Erwerbs- oder Veräusserungspreise, welche nicht dem Drittvergleich entsprechen und folglich unter dem Titel der geldwerten Leistung Steuerfolgen haben können.
Der Erwerb eigener Aktien ist ein Dauerbrenner. Immer wieder fragen sich Unternehmen, ob sie im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, beim Austritt von Aktionären oder in anderen Situationen eigene Aktien erwerben dürfen. Im nachfolgenden Beitrag gehe ich auf einige der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien ein. Die Übersicht ersetzt keine Beratung im Einzelfall, soll aber erste praktische Anhaltspunkte liefern.