Gesetzliche Auskunfts- und Einsichtsrechte der Aktionäre
Aktionäre haben von Gesetzes wegen (anders als die Mitglieder des Verwaltungsrats) keine Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft und unterliegen auch keinen Geheimhaltungspflichten. Entsprechend sind die gesetzlichen Auskunfts- und Einsichtsrechte der Aktionäre – zum Schutz der Gesellschaft und deren Geschäftsgeheimnisse – von Gesetzes wegen eingeschränkt.
Auskunftsrecht der Aktionäre
Nach Art. 697 OR ist jeder Aktionär (unabhängig von seiner Beteiligung) berechtigt, an der Generalversammlung vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und von der Revisionsstelle Auskunft über Durchführung und Ergebnis ihrer Prüfung zu verlangen.
Zudem haben bei nicht börsenkotierten Gesellschaften Aktionäre, welche zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, das Recht vom Verwaltungsrat jederzeit schriftlich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Der Verwaltungsrat hat die entsprechende Anfrage innert vier Monaten schriftlich zu beantworten und die Antworten spätestens an der nächsten Generalversammlung zur Einsicht für die Aktionäre aufzulegen.
Schranken des Auskunftsrechts
Die Auskunft muss aber durch den Verwaltungsrat nur erteilt werden, soweit
- die Auskunft für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und
- die Auskunftserteilung keine Geschäftsgeheimnisse oder keine anderen schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft gefährdet.
Liegt eine solche Gefährdung der Gesellschaftsinteressen vor, kann der Verwaltungsrat die Auskunft verweigern. Die Verweigerung ist schriftlich zu begründen.
Einsichtsrecht der Aktionäre
Neben dem gesetzlichen Auskunftsrecht sieht Art. 697a OR ein Einsichtsrecht der Aktionäre vor. Gemäss dieser Bestimmung können Aktionäre, die zusammen mindestens 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, die Geschäftsbücher einsehen. Gegenstand des Einsichtsrechts sind alle Gesellschaftsunterlagen. Der Informationsträger ist bedeutungslos, d.h. auch elektronische Dateien unterliegen dem Einsichtsrecht.
Der Verwaltungsrat muss die entsprechende Einsicht innert vier Monaten nach Eingang der Anfrage gewähren, aber es besteht keine Pflicht die entsprechenden Unterlagen für die Aktionäre objektiv verständlich zu machen oder zu übersetzen. Aktionäre dürfen im Rahmen des Einsichtsrecht von den Unterlagen keine Kopien machen, sondern nur Notizen anfertigen.
Schranken des Einsichtsrecht
Auch das Einsichtsrecht ist beschränkt. Es muss nur gewährt werden,
- soweit die Einsicht für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und
- soweit keine Geschäftsgeheimnisse oder anderen schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft gefährdet werden.
Wie beim Auskunftsrecht muss auch eine Verweigerung der Einsicht schriftlich begründet sein.
Informationsklage bei Verweigerung der Auskunft / Einsicht
Wird die Auskunft oder die Einsicht ganz oder teilweise verweigert oder verunmöglicht, haben die betroffenen Aktionäre das Recht, das zuständige Gericht innerhalb einer (sehr kurzen) Frist von 30 Tagen anzurufen und vom Gericht die Anordnung der Auskunft oder Einsicht zu verlangen.
Recht auf Sonderuntersuchung (Art. 697c ff. OR) nach Ausübung Auskunfts- und Einsichtsrecht
Hat ein Aktionär das Auskunfts- und Einsichtsrecht ausgeübt, kann er der Generalversammlung weiter beantragen, bestimmte Sachverhalte durch unabhängige Sachverständige untersuchen zu lassen, sofern dies zur Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist.
- Stimmt die Generalversammlung dem Antrag zu, kann die Gesellschaft oder jeder Aktionär innert 30 Tagen dem Gericht beantragen, die Sachverständigen zu bezeichnen, welche die Sonderuntersuchung durchführen.
- Stimmt die Generalversammlung dem Antrag nicht zu, können Aktionäre innerhalb von drei Monaten vom Gericht die Anordnung einer Sonderuntersuchung verlangen, sofern sie zusammen mindestens 5 (börsenkotierte Gesellschaften) bzw. 10 (nicht börsenkotierte Gesellschaften) Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten.
Das Begehren auf Anordnung einer Sonderuntersuchung kann sich auf alle Fragen erstrecken, die Gegenstand des Begehrens um Auskunft oder Einsicht waren oder die in der Beratung des Antrags auf Durchführung einer Sonderuntersuchung in der Generalversammlung angesprochen wurden, soweit ihre Beantwortung für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist.
Das Gericht ordnet die Sonderuntersuchung an, wenn die Gesuchsteller glaubhaft machen, dass Gründer oder Organe Gesetz oder Statuten verletzt haben und die Verletzung geeignet ist, die Gesellschaft oder die Aktionäre zu schädigen.
Die Sonderuntersuchung ist innert nützlicher Frist und ohne unnötige Störung des Geschäftsgangs durchzuführen.
Das Resultat der Sonderuntersuchung ist ein Sonderuntersuchungsbericht des Sachverständigen. Dieser Bericht wird der Gesellschaft zugestellt und das Gericht entscheidet auf Antrag der Gesellschaft, ob Teile des Berichts das Geschäftsgeheimnis oder andere schutzwürdige Interessen der Gesellschaft verletzen und deshalb den gesuchstellenden Aktionären nicht vorgelegt werden dürfen.
Der Verwaltungsrat unterbreitet den Bericht schlussendlich den Aktionären an der nächsten Generalversammlung und gibt eine Stellungnahme ab. Jeder Aktionär hat danach das Recht, während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft auf deren Kosten eine Ausfertigung des Berichts und der Stellungnahmen zu verlangen.
Informationsrechte der Aktionäre sind eingeschränkt
Wie dem gesetzlichen Informationsregime zu entnehmen ist, sind die gesetzlichen Auskunfts- und Einsichtsrechte einschränkt und unter Umständen können Investoren die für sie relevanten Informationen nicht vollumfänglich einfordern.
Informationsrechte der Aktionäre in Aktionärbindungsverträgen
Aufgrund der eingeschränkten (gesetzlichen) Informationsrechte der Aktionäre und der fehlenden Geheimhaltungs- und sonstigen Treuepflichten werden in Aktionärbindungsverträgen in Venture Capital und sonstigen Private Equity Transaktionen häufig bestimmte Informationsrechte festgelegt und Geheimhaltungspflichten vereinbart.
Häufig zu sehen sind folgende Informationspflichten seitens eines Startups:
- Jahres-Reporting: Die Gesellschaft wird in der Regel verpflichtet, innert einer gewissen Frist nach Jahresende den Jahresabschluss sowie einen schriftlichen Jahresbericht zu erstellen. Der Jahresbericht enthält Informationen über die die gegenwärtige Situation und die Entwicklung der Gesellschaft, deren Wettbewerbssituation, inklusive eines aktualisierten Business Plans für das betreffende Geschäftsjahr, der eine prognostizierte monatliche Finanzübersicht der Gesellschaft enthält, sowie die massgeblichen Finanz-, Ertrags- und Ergebniszahlen der Gesellschaft enthält.
- Quartals-Reporting: Im Quartalsreport ist den Investoren innert z.B. 30 Tagen nach Ablauf eins Geschäftsquartals einen (ungeprüften) Quartalsabschluss sowie einen schriftlichen Quartalsbericht zur Verfügung zu stellen. Der Quartalsbericht enthält Informationen über die wichtigsten Geschäftsbereiche und die allgemeine Entwicklung. Oft enthalten die Quartalsberichte ähnliche Informationen wie der Jahresbericht.
- Monats-Reporting: Teilweise wird auch ein Monats-Reporting verlangt. Der entsprechende Monatsbericht enthält einen Monatsabschluss sowie Informationen zu den wichtigsten Ergebniskennzahlen. Anstelle eines Monatsabschlusses sehen viele Verträge vor, dass die Gesellschaft den Investoren eine betriebswirtschaftliche Auswertung und die wichtigsten Unternehmenskennzahlen zustellt.
- Jahresplanung: Teilweise wird von der Gesellschaft auch eine Übersicht der Jahresplanung verlangt. Sie soll aufzeigen, welche und diese Ziele im folgenden Jahr erreicht werden sollen.
- Ad-hoc Informationen: Eine Informationspflicht besteht zudem in der Regel auch bei aussergewöhnlichen Ereignissen, welche den Investoren proaktiv und direkt nach Eintritt des Ereignisses zur Kenntnis gebracht werden müssen.
- Zutritts- und Kontrollrechte: Teilweise bedingen sich Investoren auch das Recht aus, die Geschäftsräumlichkeiten nach billigem Ermessen zu betreten. Dieses Zutrittsrecht wird auf die gewöhnlichen Geschäftszeiten beschränkt und darf die Geschäftsabläufe der Gesellschaft nicht stören.
Neben diesen üblichen Informationspflichten sind auch weitere spezifische Informationspflichten denkbar. Solche spezifischen Informationspflichten sind insbesondere dann relevant, wenn die Investoren selbst gegenüber ihren Investorinnen spezifische Informationspflichten haben und zur Erfüllung dieser Informationspflichten auf Unternehmensdaten angewiesen sind.
Im Bereich Impact Investing ist es beispielsweise üblich, dass Gesellschaften den Investoren einen Bericht über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Tätigkeit (Social and Environmental Impact Report) zur Verfügung stellen.
Geheimhaltungsvereinbarung als Gegenstück zu den Informationsrechten
Als Gegenstück zu den vertraglich eingeräumten Informationsrechten muss im Aktionärbindungsvertrag eine Geheimhaltungspflicht vereinbart werden. Aktionäre, welche Zugang zu geschäftsinternen Informationen erhalten, müssen nämlich zwingend zur Geheimhaltung verpflichten werden. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Investoren die erhaltenen Informationen für Zwecke nutzen, welche der Gesellschaft allenfalls schaden können. Um das Schadenspotential weiter zu minimieren, wird teilweise auch die Vereinbarung eines Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsverbots diskutiert. Solche Wettbewerbsverbote werden von Investoren aber selten akzeptiert. Umso wichtiger ist eine gut formulierte und umfassende Geheimhaltungsvereinbarung.
Take Home Message
- Das gesetzliche Auskunfts- und Einsichtsrecht der Aktionäre ist eingeschränkt und die Ausübung ist mit viel Aufwand verbunden.
- Venture Capital Investoren benötigen aber spezifische Informationen seitens der Gesellschaft und sollten sich daher – zusätzlich zu den limitierten Informations- und Auskunftsrechten - entsprechende Informations- und Auskunftsrechte im Aktionärbindungsvertrag vorbehalten. Ansonsten gelangen sie allenfalls nicht an die von ihnen benötigten Informationen.
- Die Einräumung solcher umfassenden Informationsrechte muss aus Sicht der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre zwingend mit einer umfassenden Geheimhaltungspflicht verbunden werden. Nur mit einer solchen Geheimhaltungspflicht wird sichergestellt, dass die dem Investor zur Verfügung gestellten Informationen nicht offengelegt werden.
- Ohne vertragliche Geheimhaltungspflicht untersteht ein Investor keinen gesetzlichen Treue- oder Geheimhaltungspflichten.
Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel dienen allgemeinen Informationszwecken und stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar. In spezifischen Einzelfällen kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch Fachleute ersetzen.