Was passiert, wenn du dein Bezugsrecht nicht ausübst?
Wenn du dein Bezugsrecht bei einer Kapitalerhöhung nicht wahrnimmst, wirst du verwässert. Das bedeutet, dass dein prozentualer Anteil am Unternehmen sinkt, da neue Aktien ausgegeben werden und dein Anteil am Gesamtkapital relativ gesehen kleiner wird. Dies betrifft sowohl deinen Anteil an den Stimmrechten als auch deine Kapitalbeteiligung.
Beispiel: Du hältst derzeit 10% an einem Unternehmen. Wenn das Unternehmen seine Aktienanzahl durch eine Kapitalerhöhung verdoppelt und du keine neuen Aktien zeichnest, beträgt dein Anteil nach der Erhöhung nur noch 5%. Damit verlierst du nicht nur Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, sondern auch an Wert, da deine Beteiligung am Unternehmen proportional kleiner wird.
Wie dich das Bezugsrecht schützt
Das Bezugsrecht ist in Artikel 652b des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) verankert und gibt dir das Recht, neue Aktien proportional zu deinem bisherigen Anteil am Unternehmen zu zeichnen. Damit kannst du sicherstellen, dass deine Beteiligung – gemessen am Nennwert der Aktien – unverändert bleibt. Dieses Recht schützt dich vor einem unfreiwilligen Macht- und Kapitalverlust, der ansonsten durch die Ausgabe neuer Aktien entstehen würde.
Was bedeutet das konkret?
Du hast bei einer Kapitalerhöhung das Recht, so viele neue Aktien zu erwerben, dass dein prozentualer Anteil am Grundkapital des Unternehmens gleich bleibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob du ein Grossaktionär oder ein Kleinaktionär bist – jeder Aktionär ist grundsätzlich durch das Bezugsrecht geschützt.
Wann kann das Bezugsrecht eingeschränkt werden
Das Bezugsrecht kann jedoch nicht uneingeschränkt ausgeübt werden. Die Generalversammlung des Unternehmens hat unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, das Bezugsrecht zu beschränken oder sogar ganz aufzuheben. Eine solche Einschränkung bedarf jedoch gewichtiger Gründe und muss sachlich gerechtfertigt sein. Beispiele für solche gewichtigen Grün-de können sein:
Übernahmen oder Beteiligungen:
Wenn das Unternehmen durch die Ausgabe neuer Aktien eine Übernahme oder Beteiligung finanzieren möchte.
Fusionen oder Umwandlungen:
Bei Umstrukturierungen, bei denen eine Kapitalerhöhung zur Durchführung der Fusion erforderlich ist.
Finanzierung grosser Projekte:
Wenn umfangreiche Investitionen getätigt werden, die eine signifikante Kapitalzufuhr erfordern.
Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital:
In Krisenzeiten kann es notwendig sein, Fremdkapital durch eine Kapitalerhöhung in Eigenkapital umzuwandeln, um das Unternehmen zu sanieren.
Um eine Einschränkung des Bezugsrechts zu beschliessen, benötigt die Generalversammlung eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit der anwesenden Stimmrechte. Auch hier gilt jedoch: Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre muss stets gewahrt bleiben.
Wie wird dein Bezugsrecht berechnet?
Die Berechnung deines Bezugsrechts basiert auf deinem aktuellen Anteil am Grundkapital des Unternehmens. Angenommen, du hältst 10% der Aktien einer Gesellschaft und das Unternehmen plant, 100'000 neue Aktien auszugeben. Dein Bezugsrecht gibt dir in diesem Fall das Recht, 10'000 dieser neuen Aktien zu zeichnen, sodass du deinen Anteil von 10% am Unter-nehmen aufrechterhalten kannst.
Natürlich musst du für die Ausübung des Bezugsrechts auch den entsprechenden Ausgabe-preis der neuen Aktien entrichten. Dieser Preis kann je nach Marktlage und Kapitalbedarf des Unternehmens variieren.
Wie wird das Bezugsrecht in der Praxis gehandhabt?
In der Praxis kann es vorkommen, dass bestehende Aktionäre ihr Bezugsrecht nicht ausüben und stattdessen neuen Investoren den Vorzug lassen. Dies geschieht häufig in Wachstumsphasen, wenn frisches Kapital benötigt wird und neue Investoren bereit sind, signifikante Beträge zu investieren. In solchen Fällen kann es für bestehende Aktionäre sinnvoll sein, auf ihr Be-zugsrecht zu verzichten, um dem Unternehmen die nötige Finanzierung zu ermöglichen. Zwar sinkt dadurch der prozentuale Anteil am Unternehmen, jedoch kann der Wert des verbleiben-den Anteils durch die Wachstumsaussichten steigen.
Die Devise lautet in solchen Fällen oft:
"𝙄𝙩'𝙨 𝙗𝙚𝙩𝙩𝙚𝙧 𝙩𝙤 𝙝𝙖𝙫𝙚 𝙖 𝙨𝙢𝙖𝙡𝙡 𝙥𝙞𝙚𝙘𝙚 𝙤𝙛 𝙖 𝙗𝙞𝙜 𝙥𝙞𝙚 𝙩𝙝𝙖𝙣 𝙖 𝙗𝙞𝙜 𝙥𝙞𝙚𝙘𝙚 𝙤𝙛 𝙖 𝙨𝙢𝙖𝙡𝙡 𝙥𝙞𝙚" – es ist besser, einen kleinen Teil eines grossen Kuchens zu haben, als einen grossen Teil eines kleinen Kuchens.
Fazit: Das Bezugsrecht – Dein wertvoller Schutz in Kapitalfragen
Das Bezugsrecht ist ein wesentliches Instrument für Aktionäre, um ihre Beteiligung an einem Unternehmen bei Kapitalerhöhungen zu sichern. Es schützt vor einer unerwünschten Verwässerung der Stimm- und Kapitalanteile und gibt jedem Aktionär die Möglichkeit, auch in Zukunft im gleichen Masse am Unternehmen beteiligt zu sein.
Dennoch kann es in bestimmten Situationen sinnvoll sein, auf das Bezugsrecht zu verzichten, um neue Investoren ins Boot zu holen und das Wachstum des Unternehmens zu unterstützen. Wichtig ist, dass du als Aktionär stets die Entwicklung des Unternehmens im Blick hast und genau abwägst, ob und wann du dein Bezugsrecht ausüben möchtest.